Wölfe spalten zunehmend
Mit einer Pressemitteilung über eine Umfrage zur Wiederansiedlung hatte der NABU zu dem von ihm ausgerufenen "Tag des Wolfes" am vergangenen Freitag (30. April) die hohe Akzeptanz des Beutegreifers gefeiert. Ein genauerer Blick auf die Zahlen wie auch die Ereignisse der vergangenen Woche legt eine andere Sichtweise nahe.
Gut drei Viertel der insgesamt 2.360 durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Naturschutzbundes Befragten fänden es erfreulich, dass Wölfe wieder hier lebten (77 Prozent), fänden ihre Lebensweise spannend (75 Prozent) und seien der Auffassung, Wölfe sollten selbst dann in Deutschland leben, wenn es zu Problemen komme (76 Prozent), feierte der NABU die ungebrochene Akzeptanz der Wiederansied-lung. Passend dazu stimmten der NABU-Pressemitteilung zufolge fast zwei Drittel (65 Prozent) der Bevölkerung der Aussage zu, die von den Tieren ausgehenden Gefahren würden in den Medien übertrieben dargestellt.
Schlüssiges Wolfs-Gejubel?
Ein deutlicher Hinweis darauf, wie gefragt worden war. Wo der Schwerpunkt der Befragungen lag, lässt ein weiteres vom NABU referiertes Ergebnis erkennen: 73 Prozent der Befragten begrüßten die Rückkehr des Wolfes und meinten, dass er in unsere Landschaft gehöre - und zwar, so der Verband, ausdrücklich selbst jene, die in Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern lebten! Dem Abschuss von trotz Herdenschutzmaß-nahmen Nutztiere reißenden Wölfen, stimmten hingegen nur 38 Prozent zu, 49 Prozent lehnten dies dagegen strikt ab.
Da machen die immerhin 65 Prozent der Befragten, die dem NABU zufolge meinten, einzelne Problemwölfe müssten notfalls getötet werden, schon stutzig und lassen die Frage nach dem Aussagewert dieser Umfrage insgesamt aufkommen.
Bauernverband empört
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Bernhard Krüsken, reagierte entsprechend empört. Eine solche Inszenierung - gemeint war die feierliche Ankündigung des "Tags des Wolfes" in der Pressemitteilung des NABU mit den Umfrageergebnissen zwei Tage zuvor - empfänden viele Weidetierhalter als blanken Hohn. "Wenn es so weitergeht, wird es keine weiteren 10 Jahre dauern, bis die Mehrheit der Weidetierhalter das Handtuch geworfen hat und es den Weidegang von Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden nur noch in aufwendigen Hochsicherheitstrakten geben wird", sieht der Bauernfunktionär diese naturnahe Haltungsform durch die unkontrollierte Ausbreitung der Großräuber bedroht. Der "Tag des Wolfes" blende die Wirklichkeit schlicht aus, in der ein vom Naturschutz geforderter günstiger Erhaltungszustand sei längst erreicht sei, so der DBV.
Aktives Wolfsmanagement gefordert
Mit dieser Auffassung steht der DBV nicht allein. Die Initiative Wolf bleibt Wolf, der der Bauernverband mit acht weiteren Verbänden des ländlichen Raums angehört, hielt mit weiteren Zahlen dagegen. Allein in Brandenburg lebten heute schon so viele Wölfe, wie im 15 mal so großen Schweden. Und bundesweit hätten Nutztierrisse durch Wölfe schon vor zwei Jahren fast die Zahl 2.900 erreicht. Statt den unkontrollierten Wolfszuwachs von 30 Prozent jährlich als Erfolg zu feiern, sei es daher höchste Zeit für ein aktives Wolfsmanagement.
Gestützt wird der behauptete Zuwachs und die dramatische Risshäufung durch fortwährend neue Wolfsbestätigungen. Passend zu dem vom NABU ausgerufenen "Tag des Wolfes" bestätigte das nordrhein-westfälische Landesamt für Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) gleich zwei neue Wolfsnachweise in NRW. Bereits am 8. März war in Engelskirchen im Oberbergischen Kreis Losung entdeckt und zum Senckenberg-Institut zur Untersuchung geschickt worden. Am 3. April wurde in Hennef im Rhein-Sieg-Kreis ein Schaf auf einer Weide gerissen. Dass beides, der Losungsfund wie das Rissereignis, eindeutig dem Wolf zuzuordnen sind, ist inzwischen bestätigt - die beiden Städte in unterschiedlichen Kreisen sind inzwischen als Pufferzone dem Wolfsgebiet Oberbergisches Land zugeordnet worden.
Was Pufferzone bedeutet, musste ein Schäfer in Blankenberg bei Hennef eine Woche vor dem Wolfsfeiertag des NABU schmerzlich erfahren. Am 23. April fand er auf seiner Weide ein wahres Gemetzel vor: Elf Schafe und sechs Lämmer waren nächtens gerissen worden. Zwar steht die offizielle Bestätigung des Wolfs als Verursacher derzeit noch aus, ein zu dem Ereignis hinzugerufener Förster und ein Wolfsexperte hätten aber bereits Hinweise auf den Wolf als Verursacher geäußert, wie die Bildzeitung am Sonntag (2. Mai) berichtete. Und dazu das Foto einer Wildkamera veröffentlichte, die nur 600 Meter entfernt von dem Riss angebracht worden ist - just dort, wo bereits einen Monat zuvor ein Schaf gerissen worden war. Es zeigt zwei Wölfe, die um zehn vor zwei am Morgen des 23. April um zum Sprung über einen 1,5 Meter hohen Schutzzaun ansetzen.
Neuer Wolfsmanagement-Plan
Erst kürzlich hatte auch Hessen zwei neue Wolfsterritorien ausgerufen, eines davon sogar über die Grenzen des eigenen Bundeslandes hinweg ins benachbarte Rheinland-Pfalz (jagdpraxis.de berichtete). Nun präsentierte das Land einen neuen Wolfsmanagement-Plan. Doch mehr als ein Verwaltungsakt ist in dem, was die grüne Landesumweltminis-terin Priska Hinz stolz verkündete, nicht zu erkennen - jedenfalls nichts, was den Gedanken an ein systematisches Management des Wolfszuwachses beim südlichen Nachbarn NRWs vermuten ließe.
Im Wesentlichen beschränkt sich die Initiative Hinz' auf die Gründung eines neuen Wolfszentrums Hessen (WZH), die Benennung von Ansprechpartnern in 39 Landesforst-ämtern als Wolfsberater und das erklärte Ziel, mit "größtmöglicher Aufklärung" in Zusammenarbeit mit den Verbänden und Unterstützung der Weidetierhaltung die "Rückkehr des Wolfes transparent und tragbar für alle zu gestalten." Nur bei Gefährdung des Menschen und zur Abwehr ernsthafter wirtschaftlicher Schäden käme ein Abschuss als letztes Mittel in Betracht, so die Ministerin.
Der Präsident des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), Prof. Dr. Thomas Schmid, bei dessen Behörde das neue WZH angesiedelt ist, beeilt sich, seiner Chefin zu sekundieren: "Ich bin davon überzeugt, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Wölfen möglich ist - ebenso wie der Interes-sensausgleich zwischen Weidetierhaltung und Naturschutz." Wie Hessens oberster Naturschützer die Wölfe aufklären will, sich von den Siedlungen des Menschen und seinen Weidetieren fernzuhalten, verrät die hessische Initiative bislang nicht.
Polnische Wolfsaufklärung
Polnische Behörden hatten bereits im März zwei Wölfe über unerwünschtes Wolfsver-halten und die Hintergründe aufgeklärt. Anfang März hatte ein ganzes Rudel drei Waldarbeiter in der Nähe von Brzozów im Südosten Polens angegriffen, die die Tiere nur mit ihren Kettensägen in die Flucht schlagen konnten. Der dort zuständige Generaldirektor für Umweltschutz hatte daraufhin den Abschuss von bis zu drei Wölfen angeordnet. Schon tags darauf wurden zwei gut 24 Kilo schwere Jährlinge erlegt und zur Untersuchung durch den Bezirkstierarzt Stanisław Kaczor nach Sanok verbracht. Der fand im Magen der Jungwölfe unter anderem Karotten und Kartoffelschalen vor.
Für den Sprecher der Generaldirektion für Umweltschutz (GDOŚ), Piotr Otrębski, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Tiere "in der Nähe menschlicher Siedlungen nach leichter Beute suchten, ohne die für Wölfe charakteristische Angst vor Menschen zu zeigen." Eine Angst, die man Wölfen mit einem solchen erlernten Verhalten möglicher-weise nur noch mit der Büchse beibringen kann - jedenfalls sind polenweit im vergangenen Jahr insgesamt 28 Anträge auf Wolfsentnahmen eingereicht worden, denen die Behörden in immerhin 18 Fällen entsprachen.
Kein Vorbild für Deutschland
Für Deutschland scheinen Länder wie Polen, Schweden oder auch Frankreich bei der Bewertung heimischer Wolfsvorkommen und dem Umgang damit jedoch kein Vorbild zu sein - im Gegenteil. Einzig Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hatte in den vergangenen Monaten den Abschuss von Wölfen nach gehäuften Rissereignissen in seinem Bundesland angeordnet und nach den ersten beiden angekündigt, die damit außer Vollzug gesetzte bis zum 30. Juni geltende Genehmigung bei anhaltend hohen Rissvor-kommen von Nutztieren wieder aufleben zu lassen (jagdpraxis.de berichtete).
Damit hielt er in der Folgezeit Wort: Am 7. April wurde mit Blick auf die vielen Nutztierrisse im Territorium des Rodewalder Rudels eine jüngere Wolfsfähe getötet und Ende April schließlich der vierte niedersächsische Wolf im Burgdorfer Holz von einem Jäger erlegt - Niedersachsen setzt für den Vollzug seiner Maßnahmen auch auf die Hilfe ortskundiger Jäger. Indes unter der öffentlich verteidigten Zusage, die Namen Beteiligter strikt geheimzuhalten, um sie vor Übergriffen durch Kritiker an dem behördlichen Vorgehen zu schützen.
Wie bitter nötig das oft kritisierte klandestine Vorgehen in Niedersachsen ist, zeigte sich nun bei Abschuss des vierten Wolfes im Burgdorfer Holz Ende vorvergangener Woche. Schon vor zwei Jahren, als Minister Lies die entsprechende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes begrüßt hatte, hatte der Landesvorsitzende des NABU geschäumt, ob "die Landesregierung die Wiederausrottung des Wolfes" wünsche. Die seither vom NABU kontinuierlich betriebene Hetze hat offenbar verfangen, wie die Hannoversche Allgemeine am vergangenen Samstag (1. Mai) berichtete: Seit dem Abschuss im Burgdorfer Holz sehe sich die örtliche Jägerschaft massiven Anfeindungen ausgesetzt. Dabei würden nicht nur Hochsitze angesägt und Jäger pauschal in den sozialen Medien diffamiert - auch Gewaltaufrufe gegen namentlich genannte Jäger gehören der Zeitung zufolge inzwischen in den Augen einiger "Wolfsfreunde" zu den nötigen Maßnahmen einer erfolgreichen Wiederansiedlung der Großkarnivoren in Deutschland.
Kein Erfolg in NRW
Soweit - also zum Abschuss nutztierreißender Wölfe - ist es in NRW noch nicht gekommen. Und nach einem heutigen (6. Mai) Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf dürfte es damit alsbald auch nichts werden. Das VG hat die Klage eines Schermbecker Schäfers gegen die Entscheidung der Kreisverwaltung Wesel zurückgewiesen, mit der die Behörde seinen Antrag auf Entnahme der Grauhündin GW954f abschlägig beschieden hatte. Dem Antrag lagen zahlreiche, der Wolfsfähe zugeschriebene Tierverluste zugrunde - nach denen er seine Herde natürlich zunehmend besser zu schützen suchte. Genau der dabei erzielte Teilerfolg wurde ihm vor Gericht nun zum Verhängnis. Denn damit drohten dem Mann nach Auffassung des VG keine ernsten wirtschaftlichen Schäden mehr - die aber eine entscheidende Voraussetzung für eine behördliche Abschussanordnung sind.
Ob der Schäfer sich damit zufrieden gibt, blieb nach Abschluss der Verhandlung noch offen. Kollegen, die dem Termin beigewohnt hatten, nahmen den Ausgang fassungslos zur Kenntnis und sehen die Landespolitik gefordert. Doch deren Verantwortliche waren schon vor der Verhandlung vorsorglich in Deckung gegangen.