Wolf und Bär bedrohen Almwirtschaft

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Wolf und Bär bedrohen Almwirtschaft

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In Österreich sorgen sich Almbauern um ihre Schafe und Rinder. Politik und Verwaltung reagieren.

Die Almwirtschaft ist eine besondere und besonders schützenswerte Form der Landbewirtschaftung, da sie eine enorme Artenvielfalt ermöglicht. Außerdem bietet die extensive Freilandhaltung mehr Tierwohl als eine Stallhaltung.

Diese Form der Landwirtschaft ist allerdings sehr anfällig für Übergriffe von Großraubtieren wie Wölfen und Bären, weil die Herden auf den Almen weder durch Zäune noch durch Herdenschutzhunde oder Menschen effektiv geschützt werden können.

Die reine Größe der Almen und die felsigen Böden erlauben keinen wirtschaftlich vertretbaren Zaunbau. Herdenschutzhunde kommen immer wieder in Konflikt mit Wanderern und können die Herden oft nicht ausreichend schützen, wie Studien unter anderem aus Frankreich zeigen.

Da die Gewinne bei der Bewirtschaftung der Almen ohnehin vergleichsweise gering sind und die Aufwand hoch ist, droht das Ende dieser Bewirtcshaftung mit allen negativen Folgen, wie einer zunehmenden Verbuschung und Bewaldung der Flächen, was wiederum einen Artenschwund mit sich bringen würde.

Das hätte auch Auswirkungen auf den Tourismus, der von den offenen Hochgebirgslandschaften profitiert.

In Österreich aber scheinen Politik und Verwaltung gewillt, diese Form der Landwirtschaft zu unterstützen. Das zeigt ihr Umgang mit Großräubern wie Wolf und Bär, die auf Almen große Schäden anrichten können - was die Wirtschaftlichkeit schnell in den roten Bereich bringen kann.

Massive Risse
Vor etwa einem Jahr hat ein Wolf auf der Tofernalm im Pongau (Land Salzburg) innerhalb von zwei Wochen 24 Schafe gerissen. Vier weitere Schafe wurden verletzt und elf Tiere blieben vermisst. Daraufhin stellten die Landwirte einen Antrag auf Entnahme des Wolfes.

Knapp ein Jahr später hat die Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau dem Antrag auf Entnahme eines Wolfes nach einem umfangreichen Verfahren stattgegeben und die jagdrechtliche Bewilligung dazu erteilt.

Umfassendes Verfahren
In dem zuvor durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde auch der renommierte Wildbiologe Professor Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) angehört.

Den Beteiligten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft Landwirtschaft und Jagd ging es darum, möglichst transparent zu klären, welche Maßnahmen zum Schutz ergriffen werden können, die am wenigsten in die Wolfspopulation eingreifen.

Der vom EU-Recht geforderte günstige Erhaltungszustand sollte nicht gefährdet oder verschlechtert werden. Demgegenüber stand die Zumutbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen und die Effektivität einer Vergrämung des Wolfes.

Nur Abschuss realistisch
Die Experten waren der Meinung, dass diese Ansätze nicht durchführbar beziehungsweise nur mit intensiven Personaleinsatz eventuell eine Wirkung zeigen würden.

Man kam daher zu dem Schluss, dass der Erhaltungszustand des Wolfes in der betroffenen Region durch Entnahme nicht weiter verschlechtert würde und dass es keine andere zumutbare Lösung für das Problem in Bezug auf den Wolf in der Region gegeben hätte.

Lappjagd als Option
Salzburgs Landesjägermeister Max Mayr-Melnhof brachte die Lappjagd bei Schnee als Option, den Wolf zu erlegen, ins Spiel. Anders sei den hochintelligenten Räuber nur schwer beizukommen.

Andernfalls könnte man an einem frisch gerissenen Tier ansitzen und hoffen, dass der Wolf zurückkehrt. Es sei aber nur selten möglich, frische Risse sofort auszumachen.

Transparente Grundlage
Damit auf einer Grundlage entschieden werden kann, die Landwirtschaft, Naturschutz, Jagd und Behörden beschlossen haben, hat das Land Salzburg einen Management-Plan erarbeitet. Darin sind Zuschüsse für Herdenschutzmaßnahmen und Voraussetzungen für den Abschuss eines Problemwolfes geregelt.

Landwirte erhalten 80 Prozent der Kosten für einen Elektrozaun am Hof erstattet. Auf den Almen im hochalpinen Gebiet muss nicht gezäunt werden, weil diese Form des Schutzes dort nicht realisierbar ist.

Definition Problemwolf
Ein Problemwolf ist im Managementplan vom Februar 2019 wie folgt definiert: Ein einzelner Wolf tötet oder verletzt 25 Nutztiere innerhalb eines Monats trotz zumutbarer Schutzmaßnahmen oder in nicht schützbaren Bereichen. Daraus kann abgeleitet werden, dass es sich um ein Tier handelt, das sich auf Töten von Nutztieren spezialisiert hat.

Rechtsweg ist möglich
Sollte es eine Bescheidbeschwerde geben, wird der Akt an das Landesverwaltungsgericht übergeben. Die Einspruchsfrist beträgt ab Zustellung des Bescheides vier Wochen. Es wird davon ausgegangen, dass geklagt werden wird.

Hubert Stock, Wolfsbeauftragter des Landes Salzburg, verteidigt die Entscheidung. Gegenüber der Kronen-Zeitung erklärte er „Lässt man die Wölfe gewähren, werden sie immer mehr. Dann treiben die Bauern ihre Tiere nicht mehr auf die Alm, das gefährdet die Almbewirtschaftung und den Tourismus.“

Unterstützung erhält er von Reinhold Messner. Der Bergsteiger und Alpenexperte sorgt sich seit langer Zeit um den alpinen Kulturraum und spricht sich für eine gezielte Bejagung der Wölfe aus.

 

Ein Bär reißt im österreischisch-italiensichen Grenzgebiet Nutztiere auf Almen (Foto: Robert Balog / pixbay.com).
Ein Bär reißt auf Almen im österreichisch-italienischen Grenzgebiet Nutztiere (Foto: Robert Balog / pixbay.com).

 

Bär bringt Almhalter in Kärnten in Not
Auf der Poludnigalm werden über den Sommer 125 Schafe, 180 Rinder und 33 Pferde gehalten. Sie liegt im Gailtal im Dreiländereck zwischen Österreich, Italien und Slowenien.

Dort sind im vergangenen Jahr 25 von 100 Schafen gerissen worden. Auch in diesem Jahr schlug der Bär bereits zwei Tage nach dem Almauftrieb wieder zu.

Dem ORF sagte Almhalter Stefan Simschitz: „Wir haben schon seit 15 Jahren ein Problem mit dem Bären, aber es ist in den letzten Jahren schlimmer, ja fast unerträglich geworden." Denn bereits in der ersten Woche wurden zwei seiner Schafe gerissen.

Jetzt wird im Rahmen eines Monitoring-Projektes von  Jägerschaft, Almwirtschaftsverband und dem Österreichzentrum für Großraubtiere untersucht, ob es sich um einen oder mehrere Bären handelt.

Jäger Johann Pipp sagte dem ORF: „Man ist als Jäger auch einfach ein Natur- und Tierliebhaber – aber man muss auch verstehen, dass es für die Bauern, die ihre Schafe auftreiben, ein Problembär ist.“

Der Wildbiologe Roman Kirnbauer erklärt, dass die Schafe leichte Beute für den Bären seien und diese sehr lernfähig. Deshalb sei auch in diesem Jahr wieder von gerissenen Schafen auszugehen.

Aufgrund der gestiegenen Anzahl von Rissen sei der Wildschadenfonds des Landes auf 200.000 Euro aufgestockt worden. Allerdings wurde ein Höchstbetrag für die Schadensauszahlung von 7.500 Euro pro Antragsteller eingeführt.

Ob das für die Almbauern auf der Poludnigalm reichen wird, ist unklar. Denn Zäune sind auf dem 300 Hektar großen Areal nicht vorstellbar. Da würde eher eine Vergrämung des Bären in Frage kommen. Doch das weitere Vorgehen wird erst nach dem Monitoring entschieden.