Wildkameras im Datenschutz-Dschungel
Wildkameras sind heute schwerlich noch wegzudenken – kaum eine Kirrung ist noch ohne entsprechende Überwachung und für kleines Geld kann man sich im Fachhandel, ja selbst bei Discountern, eindecken – doch in jedem Dschungel lauert der Datenschutz!
Die Anwendungsbereiche in der freien Natur sind vielfältig – Jäger überwachen Kirrungen, Wechsel, Wildschadensflächen, Wildbrücken, Ansitzeinrichtungen, Fallen, Äsungsflächen u. v. m. Auch in der Forschung ist das Monitoring von Luchs, Wolf oder Wildkatze ohne Kameras kaum denkbar. Dazu ist es sinnvoll, vor dem Hintergrund der Afrikanischen Schweinepest heimische Sauenbestände zu überwachen. Auch zur Verfolgung von Straftaten (Holzdiebstahl, Wilderei, Sachbeschädigung) können Kameras wertvolle Beweismittel liefern. Technische Varianten sind ebenso vielfältig wie Anwendungsbereiche – Einzelbilder, Videos, Einzelbilder mit anschl. Video, Funkübertragung und Infrarottechnik für Nachtaufnahmen.
Einsatz am besten nur in gesperrten Bereichen
Der Einsatz von Wildkameras unterliegt dem Datenschutz – auch wenn man damit nur Wildtiere aufnehmen will. Denn immer und überall können auch Personen in den Aufnahmebereich laufen. Deren Aufnahme ist eine sog. Verarbeitung personenbezogener Daten (OVG Saarlouis/14.9.2017/AZ 2 A 197/16). Die Datengrundschutzverordnung (DSGVO) schafft seit 2018 einen einheitlichen Standard zum Datenschutz in der EU (EU 2016/679). Sie gilt gleichzeitig und unmittelbar in den Mitgliedstaaten und ist in Deutschland verknüpft mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG/11.5.2019). Als EU-Verordnung hat die DSGVO Vorrang gegenüber dem BDSG. Der Begriff Wildkamera fehlt in beiden Vorschriften, aber ihre Nutzung fällt unter die Verarbeitung von Daten (Art. 6 DSGVO): Danach ist der Einsatz von Kameras nur rechtmäßig, wenn er zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist – und nicht die Interessen o. Grundrechte/-freiheiten betroffener Personen überwiegen. § 6b BDSG regelt die Videoüberwachung: Diese ist nur zulässig, soweit sie zur Wahrung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und nicht schutzwürdige Interessen von Betroffenen überwiegen. Dabei muss jede Videoüberwachung auch noch entsprechend gekennzeichnet sein.
Einzelbild statt Videos
Es gilt also, das Interesse von Jägern an der Wildbeobachtung gegenüber den Persönlichkeitsrechten eventuell aufgenommener Personen abzuwägen. Solche Überwachungen sind in Jagdrevieren generell sehr streitig und werden z. T. von vornherein für unzulässig gehalten. Man könnte ein berechtigtes Interesse an der Wildbeobachtung vielleicht aus der Hegepflicht ableiten. Datenschützer gehen aber davon aus, dass Persönlichkeitsrechte von Waldbesuchern höher wiegen. In jedem Fall sind bei jeder Videoüberwachung Hinweisschilder anzubringen – denkbar unpraktikabel. Generell für unzulässig hält Videoüberwachungen im Wald der Städte- und Gemeindebund (StGB NRW-Mitteilung 105/14.01.2014).
Was denn nun?
Zuerst sollte jeder Revierinhaber prüfen, ob eine Verwendung von Wildkameras im Jagdpachtvertrag generell verboten ist – wenn ja, muss jeglicher Einsatz unterbleiben. Wo solche Verbote nicht existieren, sollte man dennoch keine Videoüberwachung einsetzen (s. o.). Im Einzelbild-Modus muss man Kameras so aufstellen, dass Aufnahmen von Personen von vornherein vermieden werden, weil der Persönlichkeitsschutz jagdlichen Interessen vorgehen könnte. Diese Schwierigkeit wird man nur dort sinnvoll umgehen können, wo regelmäßig keine Personen ins Bild laufen (=entsprechende Betretungsverbote existieren). Schaut man sich die Regelungen der Betretungsrechte u. -verbote genauer an, findet man in § 59 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz das grundsätzliche Betretungsrecht in der freien Landschaft, im Bundeswaldgesetz (§ 14 Abs. 1) gilt Gleiches für das Betreten des Waldes. Das jeweilige Landesrecht hat spezielle Regelungen geschaffen, so gestattet § 57 Abs. 1 Landesnaturschutzgesetz NRW das Betreten privater Wege und Pfade, Wirtschaftswege, Feldraine, Böschungen, Öd- und Brachflächen u. a. nicht landwirtschaftlich genutzter Flächen zur Erholung auf eigene Gefahr – ein gewaltiger Eingriff ins Recht der Grundeigentümer. Immer wenn er seine Grundflächen nicht nutzt, können Menschen zur Erholung darüber laufen – etwa über Wiesen außerhalb der Zeit des Aufwuchses, abgeerntete oder noch nicht bestellte Äcker. § 3 Abs. 1 Landesforstgesetz NRW verbietet das Betreten von Forstkulturen, Dickungen... Pflanzgärten, ordnungsgemäß gesperrten und gekennzeichneten Waldflächen sowie jagdlichen, imkerlichen, forst- und teichwirtschaftl. Einrichtungen – überall dort darf man also Wildkameras aufstellen!
In diesem Zusammenhang gelten auch Kirrungen als jagdliche Einrichtungen. Sie sind Bejagungshilfen und deshalb besonders häufig durch Wildkameras überwacht. Dabei sollte man penibel darauf achten, auch nur die Kirrung aufzunehmen – Erfassungswinkel/-tiefe der Kamera sind entsprechend anzupassen, Straßen, Wege und Pfade im Hintergrund dürfen nicht im Bild sein. Festzuhalten bleibt, dass es in NRW kein generelles Verbot von Wildkameras gibt – aber überall gilt der Datenschutz. Problematisch ist der Einsatz überall, wo Personen Betretungsrechte haben. Unterschiedliche Auffassungen zur datenschutzkonformen Verwendung von Wildkameras verursachen Rechtsunsicherheiten. Eine formelle Vereinbarung zwischen dem Landesjagdverband und der Datenschutzbeauftragten des Landes NRW kam trotz Bezugnahme auf eine entsprechende Vereinbarung in Rheinland-Pfalz leider nicht zustande – weil das Beschwerdeaufkommen gering sei (s. RWJ 2-17, S. 6/7). Es bleibt daher bei folgenden Empfehlungen:
• Anwendung nur in nichtöffentlichen Bereichen (Betretungsverbote)
• nur Einzelbild-Modus verwenden,
• Personen-Aufnahmen unverzüglich löschen
• Wildkameras grundsätzlich nur zurückhaltend und sparsam einsetzen
Der fehlerhafte Einsatz von Kameras (Ordnungswidrigkeit) kann mit Bußgeldern bis zu 50 000 € (§ 33 Abs. 2 DSG NRW) geahndet werden. Es soll auch Fälle gegeben haben, in denen Jagdausübungsberechtigte ihnen völlig unbekannte Kameras im eigenen Revier fanden! Nach § 965 BGB sind Fundsachen bei der zuständigen Behörde (in NRW örtliche Ordnungsbehörden) abzuliefern – sechs Monate nach Anzeige erwirbt man als Finder das Eigentum an der Fundsache
(§ 973 Abs. 1 BGB).
RA Dr. Walter Jäcker
stv. Justiziar im LJV NRW