Wichtiges Detail zur Planung von Gesellschaftsjagden: Jagd neben der Straße
In unserer dicht zersiedelten Landschaft bleibt es nicht aus, dass Gesellschaftsjagden regelmäßig auch in die Peripherie von Straßen mit öffentlichem Verkehr geraten. Schon im Vorfeld gilt es dabei, bestimmte Spielregeln zu beachten. Um Ärger zu vermeiden...
Während § 20 Abs. 1 Bundesjagdgesetz (BJG) die Nähe von Straßen u. a. Verkehrswegen nicht ausdrücklich erwähnt, kann durch eine Schussabgabe allein in dieser örtlich gefährlichen Situation eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 1 Ziff. 5 BJG) vorliegen. Diese kann mit Geldbußen bis zu 5 000 € geahndet werden (§ 39 Abs. 3 BJG). Darüber hinaus muss man auch an den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach (§ 315 b StGB) denken. Danach macht sich strafbar, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, Hindernisse bereitet oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt und so Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet (§ 315 b Abs. 1 Ziffer 1-3 StGB). Fliegt nämlich ein gefährlicher Schuss unmittelbar in den Straßenverkehr, ist der Tatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB bereits erfüllt, auch wenn er dort nicht trifft. Trifft er darüber hinaus noch Fahrzeuge, kommen dabei Personen zu Schaden, sind weitere Straftatbestände wie etwa fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) oder gar fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) die einschlägigen Normen des Strafrechts.
Vorher planen statt hinterher klären...
Es kann aber auch vorkommen, dass etwa durch Bewegungsjagden in der Nähe von Straßen/Autobahnen mit entsprechender Schussabgabe Wild mit teilweise erheblichen Unfallfolgen in den Verkehr gerät. Vorausgesetzt wird dann zumindest der bedingte Vorsatz einer Tathandlung und der damit bewirkten abstrakten Verkehrsgefährdung. Geraten im Rahmen einer Bewegungsjagd Wild oder Jagdhunde in den Straßenverkehr, wird man in den meisten Fällen davon ausgehen können, dass der Jagdausübungsberechtigte (Jagdleiter) damit rechnen musste. Entsprechende Ermittlungsverfahren bewerten dann die konkrete örtliche Situation – den Ablauf der Jagd, etwaige Schutzmaßnahmen, Richtung des Treibens, Entfernung von der Straße, Erfahrungen aus den vergangenen Jahren aus ähnlichen Situationen und andere Details. Wie leicht so ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, folgt schon aus der relativ einfach anzunehmenden Kausalität: Ohne Bewegungsjagd kein Wild auf der Fahrbahn! Ob im Verlauf der Jagd damit zu rechnen war und ob Sicherungsmaßnahmen den Unfall verhindert hätten, ist dann im Einzelfall zu prüfen.
Nicht nur Schilder können helfen
Bundesautobahnen sind in der Regel über viele Kilometer hinweg wildsicher eingezäunt – viele andere untergeordnete Straßen dagegen nicht. Auch dort darf mit hoher Geschwindigkeit gefahren werden. Für Sicherungsmaßnahmen kommen folgende Überlegungen in Betracht:
- Treiben in Richtung von der Straße weg
- Rückwechsel durch dichte Treiber- und Schützenkette abriegeln
- Verlappung besonders gefährdeter Straßenabschnitte
- Warnschilder für die Verkehrsteilnehmer
- Warnposten, mit denen man Verkehrsteilnehmer durch Handzeichen zum Langsamfahren anhält
- PKWs (in erlaubter Weise) so am Straßenrand parken, dass der Verkehr gezwungen ist, durch Schlangenlinien-Fahren die Geschwindigkeit zu mindern
Zur vorsorglichen Beschilderung in Absprache mit dem Straßenbaulastträger kommen in Betracht:
• Verkehrszeichen 101 Gefahrenstelle
• Zusatzschild Treibjagd
• Zeichen 274/53 Geschwindigkeitsreduzierung 30 km/h
Diese Kombination von Schildern wird vielfach verwendet und auch von den Jagdverbänden vorgeschlagen: Das Schild 142 Wildwechsel reicht nämlich allein nicht aus – es soll nur auf Gefahren durch natürlichen Wildwechsel hinweisen und ist damit unzureichend für das Gefahrenpotenzial durch getriebenes Wild. Weil es aber Risiko-Bereiche gibt, die allein durch diese verschärfte Beschilderung nicht hinreichend abgesichert werden können (weil sich viele Autofahrer darüber hinwegsetzen), ist unter Beteiligung von Polizei und Straßenbaulastträger Einvernehmen über ergänzende Maßnahmen zu erzielen. Darunter fallen blinkende Polizei-Einsatzfahrzeuge auf der Fahrbahn bis zur Vollsperrung entsprechender Streckenabschnitte. Da Bewegungsjagden grundsätzlich exakt geplant werden müssen (und zeitliche Abläufe gut vorhersehbar sind), kann man für derartige Maßnahmen eine Dauer von ein bis max. drei Stunden kalkulieren. Sämtliche Jagden in Straßennähe ohne die o. g. Sicherungsmaßnahmen müssen im Prinzip 500 bis spätestens 200 m vor der Straße aufhören – ab da muss man von einer unmittelbaren Nähe ausgehen. Das ist nicht konkret gesetzlich geregelt und stets im Einzelfall zu beurteilen. Die örtlichen Gegebenheiten sind im Falle eines Unfalls mit der Frage zu betrachten, ob man mit dem Geschehen hätte rechnen müssen. Also wird man als Jagdleiter in jedem Fall sehr sorgfältig das Risiko abwägen müssen und gerade nicht ortskundige Schützen und Hundeführer entsprechend einweisen, damit diese im Jagdablauf nicht in gefährliche Straßennähe gelangen könnten. Anders zu sehen sind Abläufe bei der landwirtschaftlichen Ernte, bei dem Wild vor Maschinen flüchtet und dabei auch in öffentliche Straßenräume geraten kann. Wird diese Ernte von Jägern lediglich ausgenutzt, um Wild zu erlegen, ist die Kausalität für eine etwaige Straßenverkehrsgefährdung nicht im jagdlichen Tun zu sehen – es sei denn, ein Geschoss fliegt in den Straßenverkehr.
Dr. Walter Hubertus Jäcker, Rechtsanwalt und Mediator, stv. Justiziar LJV NRW