Wann und wer Wölfe töten darf
Auch wenn der Teilnehmer einer Bewegungsjagd, der 2019 in Brandenburg zum Schutz angegriffener Jagdhunde einen Wolf tötete, auch in 2. Instanz freigesprochen wurde, lassen sich daraus keine Handlungsempfehlungen für ähnliche Situationen ableiten.
Mindestens so spannend wie die Tierart selbst ist der Umgang der Gesellschaft mit dem Wolf. Der große Wildhund hat seit der Wiedervereinigung unter Entfernung der Grenzzäune sein Verbreitungsgebiet von Osteuropa bis Frankreich ausgedehnt. Weite Strecken zu wandern, ist für ihn kein Problem, ebenso wenig wie die Nahrungssuche in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Nicht nur Wild, zunehmend auch Weidetiere werden von ihm erbeutet. Experten gehen davon aus, dass bis 2030 alle potenziellen Wolfs-Territorien in Deutschland besetzt sind. Politik und Gesellschaft diskutieren leidenschaftlich zwischen Abschuss und günstigem Erhaltungszustand. Nie hat eine Art, die noch dazu in Deutschland vor 150 Jahren komplett ausgerottet wurde, eine Gesellschaft so gespalten. Der rechtliche Schutzstatus, wissenschaftliche Untersuchungen und zunehmende Ängste von Weidetierhaltern führen zu rechtlich unterschiedlichen Bewertungen im Hinblick auf Arterhalt, Entschädigungsregelungen und Entnahme.
In den Bundesländern Sachsen und Niedersachsen wurde der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen. Dabei behält er seinen Schutzstatus, der jagdliche Rechtskreis kann dabei den Umgang mit dem Wolf bzw. ein Bestandsmanagement unter Umständen erleichtern. Er ist zwar in diesen Bundesländern Wild im Sinne des Jagdrechts, wird in absehbarer Zukunft keine Jagdzeit bekommen, unterliegt aber gleichzeitig der Hegepflicht.
So ist die Rechtslage in NRW
In NRW regelt die Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften (WolfsVO NRW) den Umgang mit dem Wolf in Form von Verscheuchen, Vergrämen bei unerwünschtem Verhalten, die Entnahme im Interesse der Gesundheit des Menschen, die Entnahme zur Vermeidung ernster wirtschaftlicher Schäden und die Entnahme eines schwer verletzten oder erkrankten Wolfes.
Entnahme wird definiert als zielgerichtete Tötung eines Wolfes, sie wird im Interesse der Gesundheit des Menschen unter engen Kriterien möglich, wenn ein aggressives Tier sich nicht verscheuchen oder vergrämen lässt.
Eine Entnahme zur Vermeidung ernster wirtschaftlicher Schäden setzt voraus, dass ein Schaden droht, der mehr als nur geringfügig und von einigem Gewicht ist. In beiden Fällen hat die oberste Naturschutzbehörde die Entscheidung zu treffen. Die Entnahme eines schwer verletzten oder erkrankten Wolfes erfolgt nach veterinärmedizinischer Beurteilung.
Enge Grenzen bei derzeitiger Rechtslage
Zur Beurteilung einer Notstandsituation, in der man als Jäger einem Jagdhund das Leben retten will, weil der von einem Wolf angegriffen wird, muss das Strafgesetzbuch herhalten. Anfang 2019 hatte ein Wolf bei einer Bewegungsjagd in Brandenburg mehrere Jagdhunde angegriffen und schwer verletzt. Ein Jäger klatschte in die Hände und gab zunächst einen Warnschuss ab. Schließlich tötete er den Wolf, weil der nicht von den Hunden abließ.
Das Amtsgericht Potsdam erkannte in erster Instanz einen Notstand an und sprach den niederländischen Jäger frei. Für das Amtsgericht war die Wolfstötung deshalb gerechtfertigt, weil das Leben eines ausgebildeten Jagdhundes das allgemeine Artenschutzinteresse überwiege.
In zweiter Instanz hat das Landgericht Potsdam im Februar 2023 den Freispruch der ersten Instanz zwar bestätigt, sich dabei aber nicht zur Rechtsgüterabwägung von Wolf und Jagdhund geäußert. Es begründete den Freispruch anders und zwar mit dem sogenannten Erlaubnis-Bestandsirrtum:
Danach habe der Jäger irrtümlicherweise angenommen, dass ein Rechtfertigungsgrund für den Schuss auf den Wolf vorgelegen habe. Diese Rechtsauslegung ist eine wesentlich komplexere Begründung des Freispruchs als die der ersten Instanz.
Die Entscheidung wird dadurch zu einem Einzelfall, der nicht ohne weiteres auf vergleichbare Situationen übertragbar ist, die bei Jagden mit Wolfsvorkommen auch anderswo durchaus eintreten könnten. Daraus können also keinerlei Empfehlungen für etwaige Verhaltensregeln abgeleitet werden.
Jeder Jäger, der in vergleichbarer Situation ähnlich handelt, muss daher nach wie vor mit einem Ermittlungsverfahren rechnen.
Wenn ein sogenannter rechtfertigender Notstand dabei nicht klar erwiesen wird, würde Anklage erhoben und ein strafrechtliches Gerichtsverfahren durchgeführt.
Autor: RA Dr. Walter Jäcker
stellvertretender Justiziar des LJV NRW