Jagd und Tierschutz – Ein ewiges Ringen
Nicht erst seit der Erhebung des Tierschutzes in den Verfassungsrang befinden sich Jagd und Jäger im besonderen Fokus der Gesellschaft. Unser Privileg, Tiere töten zu dürfen, bleibt verbunden mit einer damit untrennbaren Verantwortung.
Dieser Pflicht sollte man sich stets bewusst sein – nicht nur, weil man ansonsten leichtfertig mit seinem Jagdschein spielt ...
Setzt man Jagd- und Tierschutz in Bezug, stößt man unweigerlich auf § 4 Abs. 1 TSchG: „Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder ... unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung im Rahmen waidgerechter Ausübung der Jagd ... zulässig …, darf sie nur vorgenommen werden, wenn dabei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen.“
Umgekehrt nimmt auch das Bundesjagdgesetz (BJG) einen Bezug zum Tierschutzrecht vor, in § 44 a heißt es dort: „Vorschriften des Tierschutzrechts bleiben unberührt …“. In § 1 Abs. 3 BJG heißt es: „Bei der Ausübung der Jagd sind die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit zu beachten.“
Was sind Kriterien deutscher Waidgerechtigkeit ?
- Wild unnötige Qualen ersparen,
- im Wild das uns Menschen am nächsten stehende Geschöpf der Natur zu achten,
- dem Wild im Rahmen des Zweckes und des Zieles der Jagd ein Maximum an Chancen zu lassen,
- Jagdbetrieb und -leidenschaft im Sinne einer durch allg. Gesetze und die Pflicht zur Wahrung des Ansehens der Jäger bedingten Disziplin unter Kontrolle zu halten.
Damit ist die Jagd also ohne jede Einschränkung tierschutzgerecht, wenn sie die Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit beachtet. Diese Beziehung zwischen Tierschutz und Jagdrecht ist auch konform zum Staatsziel Tierschutz (Art. 20 a GG): „Der Staat schützt auch in der Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere …“. Es geht bei diesem Staatsziel nicht um einen absoluten Schutz von Tieren, vorgegeben wird vielmehr ein ethisches Mindestmaß. Der Grundsatz, Tieren nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, muss erhalten bleiben. An diesem Grundsatz hat sich auch die Jagd allumfassend zu orientieren.
Tierschutz – Daueraufgabe für Jagd und Jäger
Im Jagdrecht finden sich viele tierschutzrelevante Vorschriften. Besondere Bedeutung gewinnt angesichts der nahenden Drückjagdsaison der Elterntierschutz (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BJG): „In Setz- und Brutzeiten dürfen bis selbstständig werden der Jungtiere die für die Aufzucht notwendigen Elterntiere, auch die von Wild ohne Schonzeit, nicht bejagt werden.“ Wer dagegen verstößt, begeht eine Straftat.
Mit der Pflicht zur Hege übernehmen Jäger die Verantwortung für Wild im Sinne des LJG NRW. Jagdausübungsberechtigte treffen dazu Maßnahmen, die Lebensgrundlagen des Wildes betreffen und investieren viel Zeit und Geld etwa in die Anlage von Wildäckern, Äsungsflächen, Biotopverbesserung, die scharfe Bejagung auf invasive Arten und den Jagdschutz.
Parallel dazu steigt der mediale Druck auf die sog. Trophäenjagd – auch und v. a. im Ausland. Obwohl durchaus vernünftige Gründe für die Jagd im Ausland sprechen (Nutzung natürlicher Ressourcen, Harmonisierung des Lebens von Mensch und Tier, v. a. bei schadenverursachenden Arten, Nachhaltigkeit u. eines umfassenden Artenschutzübereinkommens/CITES) ist Trophäenjagd im In- und Ausland immer wieder medialer Kriegsschauplatz von Jagdgegnern. Mit einer Erhöhung des Mediendrucks wird man immer zu rechnen haben, wenn nicht waidgerechtes bzw. tierschutzwidriges Verhalten einzelner ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerät.
Unfälle und unerwünschte Beifänge haben im Laufe von Jahrzehnten rechtliche Regelungen zur Fangjagd konkretisiert. Viele Methoden und Fallenarten werden im § 19 Abs. 1 BJG verboten. In NRW ist ein Fangjagdkurs vorgeschrieben und die Fangjagd beschränkt auf die Verwendung von Lebendfallen inkl. elektronischer Fangmelder.
Auch bei der Jagd auf Neozoen (neue Arten) und Hybride (Bastarde zwischen Wild- und Haustieren) geht es um aktiven Tierschutz. Heimische Arten und ihr Lebensraum sind ebenso zu schützen wie die genetische Reinheit in Europa beheimateter Arten.
Auch Wildfütterungen und im Alpinbereich betriebene Wintergatter sind am Maßstab des Tierschutzes sowie der Lebensraumerhaltung zu messen.
In diesem Zusammenhang ist auch das Aussetzen, Auswildern und Wiederansiedeln von Tieren zu bewerten (§ 19 Abs. 1 Nr. 18 BJG/§ 3 Ziff. 4 TSchG). Ohne entsprechende Lebensraumverbesserung ist das Freilassen nicht mehr vorkommender Arten weder tierschutz- noch waidgerecht.
Anders zu bewerten ist dagegen das qualifizierte Auswildern von auf die freie Wildbahn vorbereiteten Greifvögeln und Seehunden – beides Maßnahmen, die Jäger und Falkner qualifiziert betreiben.
Auch die Ausbildung von Jagdhunden ist tierschutzrelevant, so sind brauchbare Jagdhunde zu verwenden bei bestimmten Jagdarten oder auf bestimmtes Wild. Die Tierschutzhundeverordnung schreibt Zwingergrößen vor und verbietet schmerzhafte Ausbildungsmethoden. Auch vorübergehend flugunfähige Enten, Schliefenanlagen mit lebenden Füchsen und Schwarzwildgatter sind regelmäßig im Fokus der Medien und müssen sich am Tierschutzgedanken messen lassen. Nachsuchen, Wildfolgeregelungen, die Anerkennung von Schweißhundstationen und die Meldepflicht bei Wildunfällen mit Schalenwild sind ebenso tierschutzrelevant wie zahlreiche sachliche Verbote aus Tierschutzgründen (§ 19 BJG) und haben schon lange ihren Platz im Zusammenhang mit jagdrechtlichen Vorschriften. Auch das langjährige Verbot beim Einsatz von Nachtzieltechnik, das in NRW mit der ASP-Schutzverordnung beendet wurde, gehört in diesen Kontext.
Brisant ist die Frage, ob man Wölfe, die Jagdhunde im Einsatz angreifen, töten darf. In einem solchen Fall ist Tierschutz sogar über eine strafrechtliche Norm (§ 34 StGB) als Rechtfertigungsgrund herzuleiten. Zu Gründen, die zum Entzug des Jagdscheins wegen mangelnder Zuverlässigkeit führen können, gehört auch tierschutzwidriges Verhalten (§ 17 Abs. 4 Ziff. 1d BJG).
Schlussendlich ist die Sensibilisierung für den Tierschutz in unserem Kulturkreis, die mediale Aufmerksamkeit, die dem Thema zukommt, Ursache für viele strengere Maßstäbe auch im Bereich der Haltung von Haustieren.
Ohne Zweifel kann man in Deutschland von einer Gedankenwelt des ethischen Tierschutzes sprechen. Dazu gehört die Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf (§ 1 TierSchG) ebenso wie der Tierschutz als Staatsziel (Artikel 20 a GG).
Der Mainstream beobachtet intensiv jede Haltung von Tieren. Obwohl in einer immer mehr verstädterten Umwelt eine gewisse Naturferne zu beobachten ist, befassen sich Politik und Gesellschaft dauerhaft mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Tierwohl. Dadurch erfährt die Gesellschaft Veränderungen durch neue Lebensformen (Vegetarier, Veganer u. a.). In Zeiten nicht abreißender Kritik an der Haltung von Nutztieren bekommen Wildbret und Jagd eine ganz andere Bedeutung.
RA Dr. Walter Jäcker
stellv. Justiziar im LJV NRW