Gänse jagen mit der Kugel

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Gänse jagen mit der Kugel

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Wenn die klassische Bejagung mit Lockgänsen und Flinte wegen der Revier-verhältnisse wenig erfolgversprechend ist, bleibt noch die Möglichkeit der Jagd mit der Kugel. Wir haben dazu alles Wissenswerte zusammengestellt.

Gänse fühlen sich in der Weite offener Flächen (besonders auf Stoppelfeldern oder großen Wiesen) wohl und nutzen den Abstand zur nächsten Deckung als Sicherheitsdistanz. Wer dort Beute machen will, muss weit und präzise schießen. Wildgänse bieten ein verhältnis-mäßig kleines Ziel, ihre tödliche Trefferfläche beträgt gerade mal 10 x 10 cm. Auf diesen „Bierdeckel“ seine Kugel genau zu platzieren, ist bei Distanzen von über 200 m nicht ganz einfach.

Alles beginnt zunächst einmal mit der richtigen Waffe und Zieloptik, beste Voraussetzun-gen dazu bieten schwere Repetierer in rasanten Kalibern – sog. Varmint-Büchsen. Sie verfügen über etwas dickere Präzisionsläufe, ihre Systeme sind sorgfältig gebettet, die meisten großen Hersteller bieten solche Varmintmodelle an. Geeignet für diesen Zweck sind die schnellen 5,6- und 6 mm Kaliber – .222 Rem., .223 Rem., 5,6 x 50 (R) Mag., .22-250 oder .243 Win..

Varmint-Büchsen in einem rasantem Kaliber, ausgestattet mit einer hochvergrößernden Zieloptik, erlauben auch weite Schüsse auf kleine Ziele.

 

All diese Kaliber genießen unter Reh-Jägern nicht gerade einen guten Ruf, weil sie als wenig wildbret­freundlich gelten – auf normale Distanzen gibts große Ausschüsse und Hämatome, auf über 200 m sieht das allerdings schon anders aus.

Ballistisches Absehen zur Höhenkorrektur bei Weitschüssen.

 

Ohne Kugelfang keine Kugeljagd

Sehr gut sind auch präzise größere Kaliber wie die .308 Win., aber damit wird die Hinterlandgefährdung deutlich größer als bei leichten Geschossen, die sich nicht selten völlig zerlegen und deutlich weniger Abprallneigung haben. Vom Boden aus ist sicherer Kugelfang ein Muss – bei der Auswahl seines Schützenstandorts muss man also penibel darauf achten, dass die Kugel nach dem Treffer keinen Schaden mehr anrichten kann. Leicht erhöhte Standorte oder ein Hang im Hintergrund sind dazu optimal.

Auch über die Geschosswahl lässt sich viel Sicherheit gewinnen. Ausgesprochene Varmintgeschosse wie Hornadys NTX sind Totalzerleger und zerlegen sich auch in einer Gans in kleine Splitter, die keinen Schaden mehr anrichten können. Auch bei Fehlschüssen in den Boden bleibt nicht mehr viel davon übrig.

Die Wildbretentwertung ist entsprechend hoch, doch einerseits geht Sicherheit vor und andererseits wird sehr oft bei Gänsen nur die Brust verwertet – wie der Rest aussieht, gerät eher zur Nebensache. Der beste Haltepunkt ist der Flügel­ansatz – Gänse muss man dazu natürlich von der Seite her beschiessen. Der Schuss von vorn auf die Brust ist zwar ebenfalls absolut tödlich, nur wird dabei eben das wertvollste Wildbret stark zerstört.

Wie viel Präzision ist erforderlich?

Moderne Präzisionsgewehre mit ausgesuchter Munition lassen keine Wünsche mehr offen: 1,5 - 2 cm auf 100, 4 - 5 cm auf 200 und 10 - 12 cm auf 300 m sind kein Problem. Die Präzision muss man aber unbedingt auch auf 200 - 300 m überprüfen – selbst wenn eine Büchse auf 100 m Loch in Loch schießt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch auf weitere Distanzen präzise ist. Die Streuung vergrößert sich überproportional – um wieviel kann vorher niemand sagen. Schießt eine Waffe auf dem 300 m-Stand ein Schussbild um die 10 cm, ist die Präzision ausreichend. (Um so etwas heraus­zufinden, eignen sich hervorragend die beliebten Weitschuss-Seminare der RWJ-Akademie.)

Zieloptik ausschlaggebend

So weite Schüsse wie zur Gänsejagd in der Regel nötig, erfordern eine aus­reichend hochvergrößernde Optik mit Präzisionsabsehen, Parallaxeausgleich und möglichst Absehenschnellverstellung: Zu dicke Absehen sind schlicht unbrauchbar. Praktisch sind Zielfernrohre mit beleuchtetem Absehen – da ihr zuschaltbarer Leuchtpunkt bei nachlas-sendem Büchsenlicht deutlich zu sehen ist, lassen sich die Fäden des Absehens insge-samt feiner halten. Solche Optiken sind sowohl in der Dämmerung als auch für weite Schüsse bei gutem Licht gleichermaßen brauchbar.

Ihre Vergrößerung sollte bei etwa 12 -  20fach liegen, darüber wird die Tiefenschärfe geringer, das Sehfeld verengt sich – und ein Wackeln durch Herzschlag und Atmung wird im Anschlag deutlich  sichtbar. Das wirkt sich im jagdlichen Einsatz sehr störend aus und fördert nicht gerade die Treffsicherheit. 

Bei Weitschüssen darf die Parallaxe nicht außer Acht gelassen werden – ein Zielfernrohr kann immer nur auf eine bestimmte Entfernung parallaxefrei eingerichtet werden, ab Werk in der Regel für etwa 100 m. Bei hoher Vergrößerung und weiten Schüssen kann es dadurch zu einer merklichen Veränderung der Treffpunktlage kommen. Viele hochver-größernde Zielfernrohre sind daher mit manuellem Parallaxeausgleich ausgestattet – als dritter seitlicher Turm oder einen Drehring am Objektiv. Stellt man damit seine Schuss­entfernung ein, ist die Optik auf diese Distanz parallaxefrei – bei Weitschüssen eine sinnvolle Einrichtung.

Ein Parallaxe-Ausgleich am Zielfernrohr ist bei weiten Schüssen sehr sinnvoll.

 

Fehlt sie, muss man sich Mühe geben, genau mittig durchs Zielfernrohr zu schauen. Damit wird aber nicht behoben, dass sich der Tiefenschärfebereich auf über 200 m erheblich verkürzt – wie bei einem Fernglas, das nicht auf die richtige Entfernung fokussiert ist, wird das Bild unscharf. Keinesfalls sollte man dann versuchen, die Schärfe durch Drehen am Dioptrie-Ausgleich nachzubessern – so verändert man lediglich die Schärfe des Absehens !

Ein Parallaxe-Ausgleich verhindert nicht nur Treffpunktlageabweichungen durch nicht mittigen Einblick, sondern sorgt auch für ein scharfes Zielbild auf jede Distanz – für Weitschüsse (erst recht auf kleine Ziele wie Wildgänse) damit ein Muss.

Mit einer Absehenschnellverstellung (ASV) fixiert man sein Absehen genau auf die jeweilige Schussdistanz – und kann dann Fleck halten. Anders formuliert: man muss den Geschossfall nicht mehr durch drüberhalten kompensieren – bei wirklich weiten Schüssen, bei denen man mit dem Absehen aus dem Wildkörper heraus gehen müsste (wie weit?), ist diese Hilfsmethode unserer Altvorderen sehr unpräzise, da jeder Halte-punkt fehlt, man also buchstäblich ins Blaue hält.

Eine ASV muss unbedingt auf dem Schießstand justiert werden – also keines­falls nach theoretischen Werten auf der Munitionsverpackung. Dazu muss man die Mündungs-geschwindigkeit aus seiner jeweiligen Waffe individuell ermitteln und die Treffpunktlage zumindest auf 100, 200 und 300 m überprüfen. Aus diesen Daten und dem sog. BC-Wert lässt sich auch der Geschossfall auf 400 m und weiter berechnen.

Eine Absehen-Schnellverstellung erlaubt es, auf alle Distanzen Fleck zu halten.

 

Sich daraus ergebende Klicks an der Höhenverstellung des Zielfernrohrs klebt man sich am besten als kleine Tabelle an den Schaft – oder lässt sich vom Zielfernrohr-Hersteller für die Höhenverstellung gleich einen individuellen Ring gravieren. Der passt natürlich nur für eine Laborierung – bei einem Munitionswechsel muss alles neu ermittelt werden.

Die zweite Möglichkeit zur Kompen­sation des Geschossfalls sind ballistische Absehen: Sie verfügen auf dem senkrechten Balken über Markierungen (meist Punkte oder Striche) in einem bestimmten Abstand zueinander. Auf dem Schießstand lässt sich leicht heraus-finden, welcher davon auf 200, 250 und 300 m passt. Bei Zieloptiken mit Absehen in der 2. Bildebene muss man bedenken, dass sich die Abstände bei wechselnder Vergrößerung auch ändern, ermittelte Werte also nur bei der benutzen Vergrößerung passen ! Eine ASV ist einem ballistischen Absehen in puncto Genauigkeit daher überlegen, weil nicht an die Vergrößerung gekoppelt.

Distanzprobleme

Die Schussentfernung spielt für die Treff­punktlage des Geschosses eine nicht unerhebliche Rolle. Jedes Geschoss fällt durch die Erdanziehungskraft unmittelbar nach der Laufmündung. Um das Ziel zu treffen, wird die Mündung leicht angehoben, das Geschoss steigt also in Wirklichkeit und schneidet die Visierlinie zweimal: kurz vor der Laufmündung (von unten her) und ein zweites Mal auf Fleckschussentfernung (von oben her) – von da an sinkt die Flugkurve zunehmend unter die Visierlinie. Je größer die Geschwindigkeit und je besser der Formwert des Geschosses, desto weniger krümmt sich die Flugbahnkurve.

Rasante Patronen und auf GEE (günstigste Einschuss-Entfernung) eingeschos­sene Waffen schalten Distanzprobleme auf jagdlich noch vertretbare Entfernung heute fast aus – ein Beispiel: Das 3,43 g-TMS-Geschoss einer .22-250 verlässt die Laufmündung mit 1 130 m/sec. Eingeschossen mit 3,5 cm Hochschuss auf 100 m hat die Patrone auf 200 m noch einen Hochschuss von 1,3 und fällt auf 300 m auf - 14,9 cm. Fazit: Wer nur bis 250 m schießt, braucht sich um die Entfernung nicht mehr zu kümmern.

Verschätzen darf man sich allerdings nicht, zumindest nicht um mehr als 50 m. Dazu sind Entfernungsmesser eine wertvolle Hilfe, damit lässt sich die Schussdistanz auf den Meter genau ermitteln. Das geht heute über kleine Handgeräte, noch besser ein Fernglas oder gleich Zielfernrohr mit integriertem Entfernungsmesser.

Witterungseinflüsse

Der natürliche Gegner des Präzisionsschützen ist der Wind. Wer schon mal bei einem Lang-Distanz-Wettschießen zuschaute, wird schnell merken, wie genau die Schützen längs der Schießbahn aufgestellte Windfähnchen beobachten. Seitenwind kann Geschosse auf größere Distanz ganz erheblich verwehen.

Windfähnchen findet man im Revier aber eher selten und muss daher sehr genau auf den Wind achten: Schießen mit Seitenwind ist Erfahrungssache – und erlernbar. Das geht aber nur auf dem Schießstand. Auf einer 300 m-Bahn findet man schnell heraus, wie weit man mit seiner  Laborierung in den Wind halten muss, um Abweichungen auszugleichen. Ohne diese Erfahrung sollte man Gänse bei Seitenwind daher nicht auf über 150 m beschießen.

Ein nützliches Hilfsmittel sind Windmesser, die die exakte Windstärke und -richtung anzeigen. Die kleinen Geräte werden einfach in den Wind gehalten, ein kleiner Propeller dreht sich und die Windstärke wird in einem Display digital angezeigt. Wo die höchste Anzeige liegt, wenn man das Gerät leicht schwenkt, ist auch die genaue Windrichtung.

Windmesser helfen sehr, um auch bei Wind präzise zu schießen.

 

So lässt sich zwar die Windstärke ermitteln und mit Hilfe von BC-Wert des Geschosses, Mündungsgeschwindigkeit und Schussdistanz ließe sich die Windabweichung sogar berechnen, aber dabei muss man bedenken, dass nur am Standort der Waffe gemessen wird – und der Wind ja bis zum Ziel nicht gleich stark wehen muss. Trotzdem sind Windmesser sehr nützlich und liefern gut verwertbare Anhaltspunkte zur Berechnung der Abdrift. Die kleinen Geräte sind mit 30 - 60 € zudem auch sehr preisgünstig und messen meist auch noch die Höhe über Null, Temperatur und Luftdruck – alles Daten, die die Flugbahn von Geschossen beeinflussen. Wie groß diese Abweichung ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Maßgeblich ist die Stärke des Windes und die Zeitdauer, mit der er auf das Geschoss einwirkt, aber auch die Geschossform: Leichte Geschosse mit stumpfer Spitze und großem Luftwiderstand haben eine größere Abweichung als schwere Spitz­geschosse.

Umsetzung in der Praxis

Schießt man mit einer präzisen Waffe auf dem Schießstand eine 10 nach der anderen, heißt das noch lange nicht, das auch die Gans auf 250  im Feuer liegt. Um die Präzision seiner Ausrüstung (Waffe, Optik, Munition, Entfernungsmesser) umzusetzen, sollte man alle Einflüsse, die eine präzise Schussabgabe beeinflussen könnten, ausschließen. Dazu gilt es, im Revier schießstandähnliche Bedingungen schaffen: Anders formuliert – von einer wackeligen, im Wind schwankenden Leiter, mit einem dünnen Rundholz als Gewehr-auflage oder vom Autodach mit dem Fernglas als Waffenauflage sind Weitschüsse nicht möglich.

Ein Hochsitz muss stabil sein und man braucht eine zur Sitzhöhe passende, massive Gewehrauflage – wer sich erst zum Zielfernrohr hinunterbeugen oder bei zu hoher Auflage hochrecken muss, kann nicht entspannt hinter der Waffe sitzen und wird Mühe haben, zentrisch durchs Glas zu schauen, ohne Parallaxeausgleich sind so Treffpunktlage-änderungen vorprogrammiert.

Beim Schuss vom Hochsitz muss für eine stabile Gewehrauflage gesorgt werden.

 

Der rechte Arm muss eine geeignete Auflage finden und darf nicht frei in der Luft hängen. Bieten Hochsitze diese Möglichkeit nicht, sollte man ein Kantholz in passender Länge mitführen und so platzieren, dass der rechte Arm fest und wackelfrei aufliegt. Die linke Hand stützt die Waffe nur leicht gegen seitliches Verrutschen am Vorderschaft und sollte nicht zu fest anliegen. Kleine Gänse-Kaliber haben aus schweren Repetierern fast keinen Rückstoß, die linke Hand braucht also keine Haltefunktionen zu übernehmen.

Doch leider fehlen oft Hochsitze, wo Gänse einfallen – in solchen Fällen haben sich transportable Anschuss-Tische bewährt, die beste Auflage bieten und nur wenig wiegen. Der Raguzer (www.raguzer.de/ 7,8 kg) ist klappbar, der Predator von MTM noch leichter, aber dafür benötigt man noch eine passende Sitzgelegenheit, müsste also zwei zusätzliche Teile transportieren. Solche Anschuss-Tische lassen sich leicht in einem Maisfeld, Busch oder im Waldrand einbauen und mit einem Tarnnetz verblenden.

Wer weit schießen will, sollte das vor dem Schuss auf Wild auf dem Schießstand üben.

 

Resümee: Mit präziser Büchse, für Weitschüsse ausgelegter Zieloptik und rasanter Laborierung sind weite Schüsse auf Gänse technisch kein Problem. Die größte Fehler-quelle und Ursache von Fehlschüssen liegt beim Schützen selbst. Man muss sich im Revier passende Voraussetzungen für Präzisionsschüsse schaffen, sollte den Wind lesen können – und vor allem den Finger gerade lassen, wenn das Absehen überm Wildkörper tanzt. Sich hinterher mit War wohl doch was weit oder Hab‘ wohl den Wind unterschätzt zu trösten, sind billige Ausreden – und sprechen nicht gerade für waid­gerechtes Jagen.

Alt oder jung? Das Alter einer Gans ist entscheidend zur späteren Verwendung des Wildbrets: Als Bratengans taugen nur Jungvögel, die im selben Jahr geboren wurden, mehrjährige Gänse sollte man zu Wurst verarbeiten, durchdrehen, als Burger und Brotaufstrich verwenden oder die Brüste räuchern. Unterscheiden lassen sich Alt- und Jungvögel bei Nilgänsen recht einfach: Altvögel haben einen braunen Fleck auf der Brust, der beim Jungvogel fehlt und ihre Kopfzeichnung ist gräulich-weiß gefärbt, die des Jungvogels dagegen cremefarben.

Norbert Klups