Bürger im Walddialog

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Im Rahmen der Deutschen Waldtage 2020 wurde deutschlandweit bei mehr als 500 Veranstaltungen über den Wald und seine Zukunft diskutiert. Dabei ging es natürlich auch um den Waldumbau und die Jagd. Dass es einvernehmlich geht, zeigt ein Besuch am Rhein.

Den Deutschen wird ein besonderes Verhältnis zum Wald nachgesagt. Dass der Wald seit drei Jahren leidet - weithin an abgestorbenen Fichten und Buchen erkennbar - besorgt die Menschen. Begegnungen zeigen, wie weit die Sehnsucht nach einem wilden Naturwald bei vielen Stadtmenschen verwurzelt ist.

Die Zukunftssicherung des Waldes betrifft nicht nur die Waldbesitzer, sondern die gesamte Gesellschaft. Deshalb setzten die Deutschen Waldtage 2020, initiiert vom Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Deutschen Forstwirtschaftsrat, bewusst auf den Dialog zwischen allen Waldakteuren.

Waldumbau im Siebengebirge
An einem sonnigen, warmen Freitagnachmittag im September führt Martin Siemes eine 30-köpfige Gruppe interessierter Stadtmenschen durch ein Revier im Siebengebirge. Der 25-Jährige ist gelernter Forstwirt und Jäger. Nach seiner Ausbildung hat er in Nordamerika gearbeitet, musste von dort aber wegen der Corona-Pandemie die Rückreise nach Deutschland antreten.

Martin Siemes schlägt Rinde ab, um Borkenkäfer zu zeigen. (Foto: F. Höltmann
Martin Siemes schlägt die Rinde einer abgestorbenen Fichte ab, um seiner Besuchergruppe den Borkenkäferbefall zu zeigen. (Foto: F. Höltmann)

 

Bis zum Beginn seines Forststudiums arbeitet er als Forstbediensteter bei der Stadt Bad Honnef und koordiniert alle Waldarbeiten, die mit dem massiven Borkenkäferbefall in Verbindung stehen.

Diese Aufgabe erklärte er auch seiner Besuchergruppe im Rahmen der Deutschen Waldtage 2020. Dabei wurden den Bürgern deutschlandweit Führungen durch die Forste des Landes angeboten wurden.

Wenig Hoffnung für die Fichte
Oberhalb des Rheins erläuterte Forstwirt Siemes anschaulich und für Laien verständlich, wie es zu den Kalamitäten kam und wie nun darauf reagiert wird.
Der Bad Honnefer Stadtwald umfasst rund 1.200 ha, von denen rund 450 mit Fichte bestockt sind.

Davon seien 50 Prozent vom Borkenkäfer befallen. 116 ha davon seien bereits abgeräumt. Von der noch nicht geräumten Fläche seien 60 ha Altbefall, ohne Borkenkäfer und 72 ha Frischbefall, der jetzt vorrangig abgeräumt werde, damit sich der Borkenkäfer nicht noch weiter ausbreiten kann. Siemes hat wenig Hoffnung, dass die restlichen Fichtenbestände erhalten werden können.

Auch in Siebengebirge ist die Fichte großflächig abgestorben. (Foto: F. Höltmann)
Auch in Siebengebirge ist die Fichte großflächig abgestorben. (Foto: F. Höltmann)

 

Buchdrucker und Kupferstecher
An einer rund 70 Jahre alten, toten Fichte, schlägt Siemes mit einem Schäleisen die Rinde vom Stamm und zeigt seiner Gruppe einige Exemplare des Buchdruckers. Er erklärt die Abwehrmechanismen der Bäume – und warum der Harzfluss bei massivem Befall mit Käfern und der Schwächung der Bäume durch Hitze und Trockenheit versagt.

Die Bürger – die meisten ohne fachlichen Hintergrund – zeigen sich überrascht, wie klein die Tiere sind, die dem Wald derart zusetzen. Siemes erklärt weiter, dass das Käferholz nun durch einen massiven Harverster-Einsatz geborgen werde, um den Käfern die Lebensgrundlage zu entziehen.

Den Wald sich selbst überlassen
Gleich zu Beginn wird kritisch hinterfragt, ob denn in Zukunft ein Wirtschaftswald sinnvoll sei. Schließlich könne man die Natur auch sich selbst überlassen. Siemes entgegnet, dass der nachwachsende Rohstoff gebraucht würde und es besser sei, Holz in Deutschland unter hohen Umwelt- und Sozialstandards zu produzieren als ihn aus anderen Ländern zu importieren.

Der Einwurf eines Stadtratsmitglieds, dass Deutschland größter Holzexporteur der EU sei, muss wohl unter der Rubrik gefährliches Halbwissen verbucht werden.

Waldbrandgefahr steigt
Nach einem kurzen Gang durchs knochentrockene, krachend zersplitternde Unterholz zeigt Siemes typische Merkmale eines Borkenkäferbefalls wie Bohrmehl am Stamm, ein grüner Nadelteppich am Bode, Spechtanschläge an der Rinde und intensiven Harzfluss.

Dort geht es auch um die zunehmende Gefahr von Waldbränden, die durch die enorme Masse an trockenem Totholz begünstigt wird. Die Feuerwehr erarbeitet aktuell Einsatzpläne, um auf diese neue Herausforderung reagieren zu können, erläutert Bad Honnefs Wehrleiter Frank Brodeßer.

Dabei müssten auch Löschteiche, die oft in den 1970ern angelegt wurden und mittlerweile verlandet seien, reaktiviert werden. Das stoße aber auf Widerspruch beim Naturschutz, da diese Tümpel mittlerweile zu Biotopen geworden seien, die vielen Arten Lebensraum bieten. Brodeßer ergänzt, dass die Feuerwehr bei der frühzeitigen Erkennung der Feuer auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen sei.

Einzelschutz und Jagd
An einer Anpflanzung bleibt die Gruppe stehen. Siemes pflanzt auf den geräumten Flächen Stieleichen und Hainbuchen sowie einzelnen Kirschen. Seine im Trupp gepflanzten Heister schützt er mit einem flüssigen Verbisschutz-Mittel auf Schafsfettbasis, was augenscheinlich gut funktioniert. In den unbepflanzten Zwischenräumen lässt er Anflug von Birke, Vogelkirsche, Flatterulme und Eberesche zu.

Der jagdschriftsteller Rolf Baldus erklärte, wie Rehwild im stadtnahen Bereich bejagt wird. (Foto: F. Höltmann)
Der Jagdschriftsteller Rolf Baldus (r.) erklärt, wie Rehwild im stadtnahen Bereich bejagt wird. (Foto: F. Höltmann)

 

Neben dem Einzelschutz setzt der Forstwirt aber auch auf die intensive Bejagung des Rehwildes an den Kulturen. Insofern tragen sowohl Forst als auch Jagd ihren Anteil zum Gelingen des Waldumbaus bei.

Später stößt der bekannte Jagdschriftsteller Rolf Baldus - der einen Pirschbezirk im Bad Honnefer Stadtwald bejagt - zu der Gruppe. Er erklärt, wie das Rehwild im Stadtwald bejagt wird, welche Schwierigkeiten die Jagd in einem Naherholungsgebiet mit sich bringt und das auch die Jäger bereit sind, angesichts der besonderen Situation mehr Rehwild zu erlegen als bisher.

Es war für Menschen ohne fachlichen Hintergrund eine sehr lehrreiche, anschauliche und gut geplante Veranstaltung an deren Ende ein jeder Besucher eine kleine Eiche pflanzen durfte. Sie zeigte, dass das Interesse am Wald in der Bevölkerung groß ist, wenngleich wenig Fachwissen, dafür aber viele romantische Vorstellungen, vor allem vom sich selbst überlassenen Wald, vorhanden sind.