Welche Optik für Bewegungsjagden?

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Welche Optik für Bewegungsjagden?

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Rotpunktvisier oder Drückjagd-Zielfernrohr? Norbert Klups erklärt Vor- und Nachteile.

Um flinke Wutzen sicher zu treffen, ist nicht nur viel Übung, sondern auch eine darauf abgestimmte Ausrüstung nötig. Bei der Zieloptik gehen die Meinungen auseinander, was ist besser – Rotpunktvisier oder spezielles Drückjagd­-Zielfernrohr?

Wir fassen zum Aufgang der Saison Vor- und Nachteile der Alter­nativen unter jagdpraktischen Gesichtspunkten zusammen.

Auf der Drückjagd werden Kimme und Korn heutzutage nur noch von wenigen Spezialisten genutzt, dabei hat der Schuss übers offene Visier nicht nur eine lange Tradition, sondern auch Vorteile wie uneingeschränktes Sehfeld und Unabhängigkeit von Batterien.

Unser Auge kann aber drei Punkte in unterschied­licher Distanz kaum noch gleichzeitig scharf sehen und muss sich immer wieder auf einen Punkt fokussieren. Älteren fällt das zunehmend schwer, wobei der stän dige Gebrauch von Smartphone und Computer auch schon bei jungen Jägern dazu führt, dass die sog. Akkommodations­fähigkeit nachlässt.

Rotpunktvisier
Rotpunktvisiere werden mit beiden Augen offen geschossen – der Abstand spielt keine Rolle.

 

Bei stehenden Zielen und ohne Zeitdruck funktionierts meist noch ganz gut – bei Drückjagden ist es aber eher die Ausnahme, schnelle Schüsse auf sich bewegende Ziele sind weit schwieriger zu meistern.

Die Akkommodationsdauer zur Umstellung von Ferne auf Nähe beträgt etwa 0,5 – 1,5, umgekehrt etwa 0,8 – 1,3 Sekunden – die man bei Drückjagden kaum hat. Optische Visiere, die Ziel und Absehen (Fadenkreuz oder Rotpunkt) in einer Ebene scharf abbilden, haben Kimme und Korn bei der Jagd heute fast komplett verdrängt.

Bei Drückjagden kommen Rotpunktvisiere oder variable Drückjagd-Zielfernrohre (DJZF) zum Einsatz. Welches System besser ist, gibt immer wieder Anlass zu lebhaften Diskussionen – wir haben daher mal technische Vor- und Nachteile der beiden Drückjagd­optiken verglichen.

Rotpunktvisiere
Die Funktionsweise klassischer Rot- oder Leuchtpunktvisiere herkömmlicher Bauart ist ganz einfach – in einer Röhre erzeugt man auf einer einseitig verspiegelten Glasscheibe durch eine Leucht­dio­de einen roten Punkt (Absehen) und bildet ihn gleichzeitig mit dem Ziel ab.

Da keine Vergrößerung vorhanden ist, wird auch das Sehfeld nicht eingeschränkt. Dazu muss man allerdings auch mit beiden Augen offen visieren können! Beim Gebrauch entsteht dann der Eindruck, der rote Zielpunkt befände sich direkt auf dem Wildkörper.

Rotpunkt auf Ziel
Wo der rote Zielpunkt ist, schlägt das Geschoss ein – sowohl beim Rotpunktvisier wie beim Drückjagd-Zielfernrohr.

 

Bekannte Montageunterteile lassen sich verwenden – zumindest bei Röhren­modellen, die äußerlich wie ein Zielfernrohr wirken (Bauart wie Aimpoint). Daneben gibts sog. Mini-Rotpunkt­visiere (Bauart wie DocterSight), die nur 25 – 50 g wiegen und sich mit nur einem Unterteil montieren lassen.

Dabei wird der rote Zielpunkt auf eine freistehende Scheibe projiziert. Regen und Schnee verhageln aber schnell die ungeschützte Scheibe – Resultat: Jagd vorbei.

Bei Röhrenmodellen liegen die Linsen etwas zurückversetzt und sind geschützt. Welches Modell man wählt, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks. Ganz einfach ist der Umgang mit Leuchtpunktvisieren nicht, denn viele Schützen haben Probleme, beide Augen offen zu lassen, und finden oft den roten Zielpunkt nicht sofort.

Gerade das ist aber für schnelle Schüsse wichtig. Dazu muss die Schäftung der Waffe passen, denn wenn man nicht gerade mit dem Kopf hinterm Visier ist, wird der Zielpunkt nicht wahrgenommen.

Wer aber gelernt hat, intuitiv mit Rotpunkt zu schießen, schätzt gerade auf Nahdistanz ein Visier, das ohne Sehfeldeinschränkung nutzbar und sehr komfortabel ist. Etwas problematisch sind Rotpunkt­visiere auch, wenn man keine gut ab­gestimmte Brille hat, denn sie verfügen über keinen Dioptrienausgleich.

Rotpunkt Größenvergleich
Mikrovisiere sind sehr klein und wiegen nur wenige Gramm. Modelle mit frei­stehender Scheibe sind bei Regen und Schnee nicht zu gebrauchen.

 

Drückjagd-Zielfernohre
Wie beim Rotpunktvisier werden auch beim Zielfernrohr Absehen und Ziel scharf gesehen. Echte Zielfernrohre verfügen aber i. d. R. über eine bessere Optik, weil ihre Abbildungsqualität durch aufwendigere Linsensysteme schärfer und kontrast­reicher ist.

Üblich für Drückjagden sind heute variable Zielfernrohre mit 4 –8 fachem Zoom und 24- oder 30 mm-Objektiv.

Drückjagdglas Augenabstand
Bei Drückjagd-Zielfernrohren muss man für ein uneingeschränktes Sehfeld den genauen Augen­abstand einhalten.

 

Moderne Optiken verfügen über einen großen Augenabstand von 9 –12 cm, ein Sehfeld von über 40 m und einen hellen Tageslicht-Leuchtpunkt. Durch ihren geringen Objektivdurchmesser lassen sie sich flach montieren und ermöglichen bei passendem Schaft einen schnellen Anschlag.

Drückjagd-Zielfernohre beginnen bei einer Anfangsvergrößerung zwischen ein- und 1,25-fach. Unser Auge nimmt bei einfacher Vergrößerung das Zielbild allerdings etwas verkleinert wahr, je nach Auge erhält man eine realistische Abbildung erst bei etwa 1,1- bis 1,2fach.

Bei einfacher Vergrößerung ist zwar das Sehfeld etwas größer, aber dafür nimmt man das Ziel kleiner wahr. Dabei geht die Philosophie der Her­steller etwas auseinander, durch Zoomen kann man die passende Einstellung aber so wählen, dass keine Nachteile entstehen.

Hauptvorteil variabler Drückjagd-Zielfernohre ist die Möglichkeit, damit bei höherer Vergrößerung auch noch weiter entfernt stehendes Wild ansprechen und beschießen zu können. Auf Bewegungsjagden geht's ja nicht nur auf schnelle 20 m-Sauen, immer wieder gilt es auch, mal weitere Schüsse zu meistern.

Ob ein Geweihter eine Krone hat oder nicht, bleibt auf 80 m ohne Vergrößerung oft ein Rätsel ... das sich bei 4- oder 6-fach lösen lässt.

Mit vergrößerndem Bild kann man Wild auf mittlere Entfernungen besser auf­nehmen und das Absehen präziser platzieren, sicherere Schüsse auch jenseits von 50 m sind das Ergebnis.

Was ist für mich am besten?
Die Beantwortung dieser Frage hängt von den eigenen Fähigkeiten und jagd­lichen Möglichkeiten ab: Wer viel im Schießkino übt, reichlich Gelegenheit zur Teilnahme an Drückjagden hat und sicher im Umgang mit seiner Waffe ist, wird ein Rotpunktvisier lieben.

Aimpoint
 Vergleichsweise große Aimpoint-Rotpunktvisiere werden wie Zielfernrohre mit zwei Oberteilen montiert.

 

Durch den nicht penibel einzuhaltenden Augenabstand und stets mit beiden Augen offen ist es für schnelle Schnappschüsse auf Kurzdistanz prädestiniert.

Dazu kommt der Kostenvorteil – Rotpunktvisiere sind preisgünstiger (außer gegenüber ausgesprochenen Billiggläsern), für Kompaktmodelle braucht man sogar nur ein Montageoberteil, was die Sache noch günstiger macht.

Wer aber den kleinen Zeitvorteil beim schnellen Anschlag gar nicht nutzen kann (etwa, weil immer ein Auge zubleibt – muss man im Kino mal herausfinden) und bei „tieffliegenden Sauen“ sowieso den Finger gerade lässt, wird Drückjagd-Zielfernrohre bevorzugen.

Rotpunktvisier Aimpoint Micro
Mini-Rotpunktvisiere oder dieses Aimpoint Micro benötigen nur eine Montagebasis.

 

Sie liefern ein besseres Bild und man kann die Vergrößerung seinem jeweiligen Stand anpassen – auf ein- oder 1,1-fach kann man auch damit mit beiden Augen offen schießen. Trotzdem bleiben Rotpunktvisiere einen Tick schneller, da der korrekte Augen­abstand irrelevant ist.

Hauptvorteil von Drückjagd-Zielfernohren ist das genauere Ansprechen auf größere Distanz – anders formuliert: Auf Drückjagden, bei denen auch geringe Hirsche frei sind, kann man sich ein Rotpunktvisier kaum erlauben ...

Am besten eine Kombi ...
Wer sich für kein Zielsystem entscheiden kann ... benutzt eben beide gleichzeitig! Einfach ein Mini-Rotpunktvisier seitlich neben oder oben auf dem Drückjagd-Zielfernrohr montieren.

Mit einer kleinen Kopfbewegung stehen dann das nicht vergrößernde Rotpunktvisier und der eingestellte Zoom des Zielfernrohrs zur Verfügung. Damit lässt sich ohne jede Manipulation wirklich schnell auf Kurzdistanz oder größere Entfernung schießen – eine solche Kombi hat allerdings auch ihren Preis.

Rotpunkt Kombination Drückjagdglas
Gute Kombi – mit leichtem Heben bzw. Senken des Kopfes steht das Rotpunktvisier ohne Vergrößerung oder die eingestellte Vergrößerung des Zielfernrohrs zur Verfügung.

 

Resümee
Die universellste Zieloptik für Bewegungsjagden sind variable Drückjagd-Zielfernohre mit großem Sehfeld und hellem Leuchtpunkt. Damit kann auf alle Drückjagdentfernungen geschossen und Wild auch in größerer Distanz angesprochen werden.

Rotpunktvisiere sind für präzise Schüsse auf größere Entfernung nicht optimal, ohne Vergrößerung ist etwa das sichere Ansprechen von Rotwild kaum möglich. Dafür sind sie preiswert und auf Kurzdistanz nicht zu toppen.

Kombiniert man beides, kommt man der eierlegenden Wollmilchsau sehr nah, allerdings zum entsprechenden Preis.