Für den Gnadenstoß
Die von RWS speziell für jagdliche Fangschüsse entwickelte Kurzwaffenmunition trägt den klangvollen Namen „Coup de Grace“ (auf Deutsch „Gnadenstoß“) – womit sofort klar ist, wofür die Patrone gedacht ist. Wir haben ausprobiert, was die Neuentwicklung kann.
Bisher gibt es sie nur im Pistolenkaliber 9 mm Luger (Para). RWS hatte bisher keine Kurzwaffenpatronen im Programm, die Coup de Grace ist die erste. Bestückt ist sie mit einem bleifreien Vollkupfergeschoss – in der heutigen Zeit nur logisch, denn Wild zunächst mit bleifreien Büchsengeschossen zu bejagen und dann bei ggf. nötigen Fangschüssen bleihaltige Revolver- oder Pistolengeschosse ins Wildbret zu jagen, macht wenig Sinn. Beim Coup de Grace handelt es sich um ein nickelplattiertes Vollkupfer-Hohlspitzgeschoss mit 7 g Gewicht. Bei der äußeren Gestaltung hielt man sich an die typische Ogival-Form, die bei halbautomatischen Pistolen für höchste Funktionssicherheit sorgt: Die Hohlspitze ist eingezogen (damit sie sich beim Eindringen in den Wildkörper nicht mit Gewebeteilen zusetzt) und innen vorgekerbt, um ein gesteuertes Aufpilzen mit vier kräftigen Fahnen zu garantieren.
Maximale Energieabgabe ohne Ausschuss
Das Coup de Grace soll seine Energie schnell und schlagartig abgeben und den Wildkörper möglichst nicht wieder verlassen, um beim Fangschuss etwa auf Unfallwild jede Gefährdung durch austretende und abprallende Geschosse zu vermeiden – und bei Nachsuchen so auch einen Hund zu schützen. Die Kupferlegierung ist sehr weich, wie wir schon beim Feilen des Geschossschnittes feststellen konnten. Die Bohrung der Hohlspitze geht 11,5 mm in den Geschosskörper, reicht also bis knapp über den Boden. Das Restgewicht soll bei nahezu 100 Prozent liegen. Aus der RWJ-Testwaffe – einer Glock 19 (102 mm Lauflänge) – ermittelten wir eine Mündungsgeschwindigkeit von 380 m/sec., was einer Mündungsenergie von 505 Joule entspricht – damit erfüllt der RWS-Neuling die gesetzlichen Vorgaben zum Fangschuss auf Schalenwild (200 Joule) locker.
Präzision, Leistung und Funktionssicherheit
Präzisionsansprüche an eine Fangschusspatrone sind grundsätzlich nicht sehr hoch, schließlich wird sie in der Regel auf vergleichsweise kurzen Distanzen eingesetzt. Doch sollte eine Pistole damit auch nicht streuen wie eine Gießkanne. Im RWJ-Test kamen drei Kurzwaffen zum Einsatz: zwei von Glock – einmal die 19 mit 102 mm-Lauf, dazu das Kompakt-Modell 26 mit kurzem 88 mm-Lauf.
Auf 10 m Distanz lieferten beide Waffen 5er-Streukreise von 5 cm, geschossen aus freihändigem, beidhändigem Anschlag – Präzision ist also genügend vorhanden. Aus jeder Waffe wurden in schneller Folge 30 Patronen störungsfrei verschossen. Nun sind Glock-Pistolen für ihre Funktionssicherheit bekannt, zur Sicherheit haben wir daher zum Vergleich auch noch drei Magazine aus einer alten FN Highpower verschossen, was ebenfalls ohne jede Zufuhr-Störung gelang. Durch das geringe Geschossgewicht schossen sich alle Waffen ausgesprochen rückstoßarm, was der Verwendung aus leichten Kompaktpistolen sehr entgegenkommt, auch das Mündungsfeuer fällt sehr gering aus.
Wie verhält sich das Geschoss?
Wir haben aus der 10-m-Distanz auf einen Block ballistische Gelatine geschossen – direkt nach dem Eindringen spricht das Geschoss an und erreicht nach etwa 10 cm den Punkt der höchsten Energieabgabe. Die Eindringtiefe aus der Glock 19 betrug 20 cm. Die Geschosse pilzten mit vier gleichmäßigen Fahnen auf einen beeindruckenden Durchmesser von 22 mm vorbildlich auf und wogen noch 6,95 g – ein Masseverlust findet also so gut wie nicht statt.
Resümee: Das Coup de Grace spricht sehr schnell an. Dadurch und durch sein Gewicht von lediglich 7 g erfolgt eine hohe Energieabgabe, aber dafür keine große Tiefenwirkung. Die neue Patrone ist präzise und liefert auch aus Kompaktpistolen mit kurzen Läufen eine hohe Leistung. Die Beschränkung auf ein einziges Kaliber ist natürlich ein Nachteil, zumal die 9 mm Luger für Fangschusszwecke als unterste Grenze gilt und auf schwereres Wild wie Sauen nicht befriedigen wird – zumindest, wenn man nicht aufs Haupt schießt. Der Vorteil liegt darin, dass das Geschoss mit hoher Wahrscheinlichkeit im Wildkörper verbleibt – selbst bei Rehen (Ausnahme schwache Kitze). Doch gerade Rehe sind ja hierzulande unser Unfallwild Nr. 1 – und wer in der Nähe dichtbefahrener Straßen eine Fangschusslaborierung mit möglichst geringer Umgebungsgefährdung sucht, liegt mit dem Neuling sicher richtig. Es ist zu erwarten, dass RWS die Kaliberpalette ausbauen wird, die 20er-Packung kostet 38 €. Norbert Klups