„Kollektive Realitätsverweigerung“

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„Kollektive Realitätsverweigerung“

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Am Freitag, 26. April fand in Berlin eine gemeinsame Pressekonferenz des „Forum Weidetiere & Wolf“ statt. Dabei informierten Bernhard Krüsken (Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes) , der Präsident des Deutschen Jagdverbandes Helmut Dammann-Tamke und Ingo Stoll (Vorstand Vereinigung Deutscher Landes-Schafzuchtverbände) über die aktuelle Situation.

Bernhard Krüsken nahm dabei kein Blatt vor den Mund: Der sog. „günstige Erhaltungszustand“ sei längst erreicht. Jeden Tag würden in Deutschland durchschnittlich 10 Weidetiere gerissen – in Summe pro Jahr etwa 4.000, Tendenz weiter steigend. Und zwar trotz aller Herdenschutzmaßnahmen! Alle seitens der Bundesregierung versprochenen Maßnahmen eines regionalen Bestandsmanagements (im Koalitionsvertrag) oder auch das großmundige Versprechen von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zu einem vereinfachten Verfahren von Schnellabschüssen seien nichts anderes als Nebelkerzen – und eine kollektive Realitätsverweigerung. Dabei komme der Bundesregierung eine Schlüsselrolle für eine Besserung zu – indem diese endlich die überfällige Absenkung des EU-Schutzstatus‘ in Deutschland beantrage (von „streng geschützt“ nach „geschützt“). Jedes verlorene Jahr ohne eine Reduktion von Wölfen nannte Krüsken einen weiteren  „Sargnagel der Weidetierhaltung“ in Deutschland. Mit Sorge betrachte er daher eine massiv zunehmende Frustration im ländlichen Raum. Die „Koexistenz“ exponentiell wachsender Wolfspopulationen mit der Haltung von Weidetieren sei längst nicht mehr möglich – Krüsken: „Der Wolf ist regional überschützt!“

DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke zeigte sich sichtlich erschüttert angesicht aktueller Vorfälle in seiner Heimat: So kam es noch wenige Stunden vor der Pressekonferenz auf einem Elbe-Deich im Landkreis Stade zu einem erneuten schweren Übergriff von Wölfen auf eine Schafsherde mit zahlreichen getöteten und verletzten Tieren. Der Jägerpräsident warf Steffi Lemke das Fehlen eines echten Handlungswillens vor. Seit ihrer groß angekündigten „Schnellabschuss-Offensive“ im Oktober 2023 sei NICHTS passiert. Änderungen auf EU-Ebene scheiterten an der deutschen Verweigerungshaltung. Dabei könne man wie andere EU-Mitgliedsländer (Dammann-Tamke nannte v. a. Schweden) sofort Voraussetzungen zur Entnahme von Wölfen auf den Weg bringen. Ohne in Brüssel nachzufragen, also.

Schäfer Ingo Stoll wies darauf hin, dass mittlerweile rund 70 Prozent der Wolfsattacken auf Weidetiere trotz sog. Wolfsschutz-Zäunen stattfinden würden. Auch die staatliche Entschädigung für die Schäden sei völlig unzureichend, da nur der reine Schlachtpreis gerissener Tiere erstattet werde. Dazu forderte der Schäfer dazu auf, endlich das sog. „Untersuchungs-Monopol“ des Senckenberg-Institutes bei potentiellen Wolfsübergriffen abzuschaffen. Dessen „Verzögerungs- und Verschleppungs-Strategie“ sei staatlich gewollt. Stoll: „Frau Lemke lügt uns wieder an …“

Die aktuelle Zahl der Wölfe in Deutschland gab Dammann-Tamke mit „mind. 250 Rudeln“ und „mind. 2.000“ Individuen an – und erinnerte daran, dass in ganz Schweden (mit mehr Fläche und besseren Biotopen) eine Ziel-Dichte von 320 Wölfen im ganzen Land ausgegeben worden sei. Krüsken erinnerte außerdem daran, dass es bei der hohen Dichte in Deutschland auch zahlreiche Hybriden gäbe – also Mischungen aus Wolf und Hund  - die laut Naturschutzrecht ALLE zu entnehmen seien … und bislang kein einziger davon entnommen worden sei!

Nötig sei daher eine deutliche Reduzierung der Wölfe in Deutschland – dazu könne man keine konkrete Zahl nennen. Regional – etwa auf Truppenübungsplätzen – könnten Wölfe ohne jede Reduktion geduldet werden. In sog. „Zielkonflikt-Regionen“ wie an der Küste und entlang großer Flüsse (Deiche) und auf Almen im Gebirge müsse man jede dauerhafte Ansiedelung von Rudeln unterbinden. Dammann-Tamke unterstützte daher uneingeschränkt den Vorschlag des niedersächsischen Ministers Meyer sog. Konfliktrudel (6 von 51 in Niedersachsen) komplett zu entnehmen. Dazu forderte er dazu auf, den Wolf „wieder scheu zu machen“ – dazu reichten Vorschläge zu „nicht-letaler Vergrämung“ etwa mit Gummi-Geschossen nicht aus. Der Wolf sei mittlerweile hierzulande als Kulturfolger anzusehen. Krüskens Schluss-Appell: „ Wir müssen Schluss machen mit der romantischen Verklärung des Wolfes – und der kollektiven Realitätsverweigerung!“ Matthias Kruse