Klever Signale

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Am 23. Juni hatte der Landesbetrieb Wald & Holz NRW zu einer interessanten Fortbildung über "Wald- und wildgerechte Jagd" in den Reichswald bei Kleve eingeladen.

Auf riesigen Kahlflächen - allein zwischen Rhein und Weser entstanden durch Stürme, Dürre und den Borkenkäfer in den letzten Jahren über 70.000 ha - steht in den nächsten Jahren eine Wiederbewaldung an. 

Dort sollen durch Pflanzung und Naturverjüngung Wälder entstehen, die mit dem Klima der Zukunft besser zurechtkommen, als dies die Fichte vermochte. Wer in diesen Wochen mit offenen Augen durch unser Land fährt, sieht an „roten Flecken“ überall, dass der Abschied der ehemaligen „Brotbaum-Art“ aus unserer Landschaft ungebremst weitergeht.

„Wald- und wildgerechte Jagd – Schwerpunkt Freiflächen“ hieß folgerichtig das Seminar des Landesbetriebs. In hauptbetroffenen Schwerpunktregionen v. a. im Süden des Landes liegen zwar die meisten Kahlflächen, aber dort hat man derzeit so viel „um die Ohren“, als dass man Zeit- und Personalkapazitäten für Planung und Durchführung solcher Veran-staltungen hätte – das war der Grund, warum das Seminar am Niederrhein stattfand.

Julian Mauerhof, der Leiter des Regionalforstamts Niederrhein, begrüßte dazu im Reichs-wald rund 20 Teilnehmer, die meisten aus der Forstverwaltung, aber auch interessierte Jäger waren darunter.

In der Vorstellung seines Regionalforstamts ging Mauerhof auf regionale und biologische Besonderheiten ein: so spielen Rot- und Schwarzwild am Niederrhein nur eine Ausnahme-rolle – Sauen allenfalls in Grenzregionen (aus den Niederlanden einwechselnde „Wildschweine mit gelbem Nummernschild“) und Rotwild lediglich im komplett abgezäunten Reichswald. Speziell dort wird die Bejagung von Mai bis November erschwert durch dichten Adlerfarn-Bewuchs, in dessen über 2m hohen Stengeln Wild nahezu unsichtbar wird.

1.	Stefan Boschen (l.) und Julian Mauerhof stellten Erfahrungen und Vorschläge zur wald- und wildgerechten Bejagung von Freiflächen vor.
Stefan Boschen (l.) und Julian Mauerhof stellten Erfahrungen und Vorschläge zur wald- und wildgerechten Bejagung von Freiflächen vor. (Foto: M. Meyer)

 

Bei allem nötigen Druck auf die Schalenwildbestände unterstrich der Forstamtsleiter, dass der Landesbetrieb immer und an jeder Stelle größten Wert auf tierschutz- und waidge-rechtes Jagen lege. Bei Fehlabschüssen beteiligter Jäger (neben eigenem Personal werden zahlreiche, v. a. revierlose Jäger beteiligt) gäbe es glasklare Konsequenzen. Bei Schonzeitvergehen, erst recht Straftatbeständen wie dem Abschuss von Muttertieren in der Aufzuchtzeit, käme niemand um eine Selbstanzeige herum, Gastjäger würden von der weiteren Beteiligung ausgeschlossen. Durch ein entsprechendes Nachsuchen-Manage-ment werde dazu jeder ungeklärte Schuss verfolgt.

Die Verjüngung der Hauptbaumarten geschieht in der Regel außerhalb von Zäunen, einzelne Schutzgatter gäbe es aber noch. Im Reichswald (landeseigene Jagdfläche) kommen pro Jahr auf 100 ha im Durchschnitt rund 10 Stücke Schalenwild (davon 5 Rehe) zur Strecke. Revierleiter Stefan Spinner brachte die Beteiligung revierloser Jäger im Landeswald auf das Motto „Zahlen und glücklich sein“.

Die Bejagung richte sich an der biologischen Aktivität des Wildes aus, so Mauerhof. Auch wenn am Niederrhein im April Rehe bislang nicht bejagt wurden, kann sich Mauerhof dies in Zukunft gut vorstellen – um im Gegenzug die dort übliche Jagdruhe im Juni/Juli ggf. auch schon im Mai einzuhalten. Generell wolle man den Schalenwildabschuss bis Weihnachten erledigt haben.

Zweiter Hauptreferent war Thomas Boschen, Revierleiter der Hatzfeldt-Wildenburg’schen Verwaltung im Grenzgebiet zwischen Rheinland-Pfalz und NRW. Er stellte Jagdstrategien für eine wald- und wildgerechte Bejagung vor. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde in den dortigen Wäldern der Schalenwildbestand drastisch abgesenkt. Gegenüber dem Reichs-wald wird dies bis heute in rund dreimal höheren Abschusszahlen (durchschnittlich 15 statt 5 Rehe auf 100ha!) deutlich. In Grenzbereichen zu den umliegenden Nachbarjagden (von wo natürlich eine Nachwanderung erfolgt) ist dieser Wert noch deutlich höher.

Auch in den ertragreichen Wäldern am Südrand des Westerwaldes verabschiedet sich die Fichte auf großer Fläche. Zum Umbau auf gemischte Wälder (generell ohne Wildschutz-zäune) komme der Jagd, so Boschen, eine Schlüsselrolle zu. Als ungewöhnliche Besonderheit müssen nicht nur Pächter, sondern auch externe Begehungsschein-Inhaber in angegliederten Jagdflächen mit landwirtschaftlichen Flächen für Wildschaden durch Sauen selbst aufkommen! Die Verwaltung unterstützt sie allerdings durch die Stellung entsprechender Zaunanlagen.

Die Hatzfeld’sche Verwaltung nutzt die Möglichkeit der April-Jagd auf Rehe schon länger und macht damit positive Erfahrungen – etwa ein Drittel aller Rehe kommt in diesem Monat zur Strecke (nicht zusätzlich). Vor diesem Hintergrund wurde in Kleve auch diskutiert, dass es leider in NRW weder Zahlen über Strecken noch regionale Verteilung der Rehwildabschüsse im April gibt – nicht für 2021 und auch nicht für 2020!

Auf bereits wieder teilbestockten Freiflächen im Klever Reichswald wurde intensiv über das Management von Jagdschneisen diskutiert. (Foto: M. Meyer)
Auf bereits wieder teilbestockten Freiflächen im Klever Reichswald wurde intensiv über das Management von Jagdschneisen diskutiert. (Foto: M. Meyer)

 

Bei einer Exkursion zu Freiflächen im Reichswald wurden Probleme und Aufgaben der Bejagung diskutiert. Angesichts schnell hochwachsender Bäume und v. a. der Begleitvegetation wie Adlerfarn, Brombeere, Birken u. ä. sind besonders Planung und Management eines Schneisen-Systems unverzichtbar. Ansonsten sieht man nämlich selbst von 5m-Hochsitzen schon ein Jahr später nur noch in eine „grüne Hölle“.

Bei der Breite solcher Bejagungshilfen scheiden sich die Geister – während manchmal eine 8m breite Schneise in der passenden Hauptwindrichtung vor einem Hochsitz Mittel der Wahl ist, eignen sich andernorts mehrere 5m-Schneisen („Krähenfüße“), die auf einen Hochsitz zulaufen, besser. A und O ist das Freihalten von zu hohem Bewuchs auf solchen Schuss-Schneisen, damit man überhaupt Rehe sehen kann – und zwar über mindestens fünf Jahre. Also so lange, bis die Pflanzen so hoch sind, dass ihr Terminaltrieb nicht mehr verbissen werden kann („gesicherte Kultur“).

Nicht nur die anwesenden Jäger wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht nur um ein „effektives und effizientes Totschieß-Management“ gehen dürfe, sondern auch um die Einrichtung entsprechender Ruhezonen für Wild in der Umgebung großer Freiflächen.

Die gelungene Veranstaltung endete mit einem wegweisenden Appell – der Landesbetrieb Wald & Holz NRW würde sich freuen, solche und ähnliche Veranstaltungen in Zukunft auch einmal gemeinsam mit dem Landesjagdverband durchführen zu können!

Matthias Kruse