Kompaktes Präzisions- Instrument
Neben bekannten Allroundern entwickelt der österreichische Premium-Hersteller Kahles auch spezielle Zieloptiken für den behördlichen und anspruchsvollen jagdlichen Einsatz – erkennbar durch das K in der Bezeichnung. Wir haben das neue Flaggschiff 328 i getestet.
Das beeindruckende Zielfernrohr ist zwar nur 360 cm lang, bringt aber über ein Kilo
(1 057 g) auf die Waage. Sein Mittelrohrdurchmesser beträgt nicht wie heute bei Hochleistungs-Zielfernrohren üblich 34, sondern 36 mm. Durch das 50 mm-Objektiv ist auch bei schlechtem Licht noch ein ausreichend helles Zielbild zu erwarten. Es macht wenig Sinn, einen solchen Brummer mit zwei schmalen Weaver-Ringen zu montieren, zumal die Auswahl an 36 mm-Ringen sowieso nicht sehr groß ist. Wir wählten für den RWJ-Test eine EAW-Aufkippmontage mit Schnelllöse-Hebeln aus der Black-Line-Serie, als Testwaffe diente ein Präzisions-Repetierer SWS 2000 in .308 Win..
SEHFELD UND EYEBOX
Wenns schnell gehen muss, sind Sehfeld und Eyebox die wesentlichen Faktoren. Als Eyebox bezeichnet man den Raum hinterm Okular, in dem das Zielauge bei vollem Sehfeld positioniert werden kann. Ist sie besonders groß, spart das Zeit beim schnellen Anschlag. Hier hat Kahles ganze Arbeit geleistet, die Eyebox des K 328 i ist sehr komfortabel. Sein Sehfeld liegt satte 40 Prozent (!) über dem des K 525 i: Die neue Referenz bietet 14,3 m (3,5fach) und bei 25fach das gleiche Sehfeld wie das K525i bei 18fach – ein gewaltiger Sprung.
ABSEHENVERSTELLUNG FÜR PROFIS
Das Absehen liegt in der ersten Bildebene, es stehen fünf verschiedene Absehen zur
Verfügung (alle beleuchtet). Für den RWJTest wählten wir das SKMR4+, bei dem das komplette Absehen beleuchtet ist. Bei der Verstellung kann man wählen, ob sich die Seitenverstellung links (RWJ-Testglas) oder wie üblich rechts befinden soll. Die Verstellung erfolgt wahlweise cw (clockwise = im Uhrzeigersinn) oder ccw (gegen den Uhrzeigersinn), jeder Klick verändert die Treffpunktlage um 0,1 MRAD (1 cm/100 m). Die Höhenverstellung mit zwei übereinanderliegende Skalen erfolgt beim Standardmodell über einen Doppeldrehturm: An einem roten sog. Indikator Pin lässt sich erkennen, mit welcher Skala man arbeitet: ragt er oben aus dem Turm, ist es die obere, verschwindet er bündig im Turm, wird die untere Skala verwendet. Bei der DLR-Version gibts nur eine Reihe mit besonders großen, gut ablesbaren Zahlen. Dafür hat der Verstellturm dabei aber 3,4 Umdrehungen – in welcher man sich befindet, zeigt der Indikator Pin: Ist er draußen, befindet sich die Verstellung in der 2., ist dazu ein weißer Kreis sichtbar, in der 3. Umdrehung. Bei 340 Klicks und einem Zentimeter pro Klick steht ein Höhenverstellweg von 340 cm zur Verfügung. Benutzt man dazu eine um 20 MOA vorgeneigte Montage, langt es auch für wirklich große Distanzen. Bei unserer EAW-Montage lässt sich die Vorneigung über Einsätze am hinteren Ring von 10 - 70 MOA einstellen. Nach dem Einschießen lassen sich die Verstelltürme (Höhe/Seite) nullen. Dazu dreht man die beiden Befestigungsschrauben so weit heraus, bis sich der Turm ohne Klick frei drehen lässt. Dann wird er bis zum Ende der mechanischen Verstellung auf Anschlag gedreht. Dieser Punkt liegt jetzt praktischerweise etwa 3 oder 4 Klicks unterhalb der Nullmarke, um den Null-Indikator bei schlechtem Licht schnell und intuitiv zu finden und bei Nahzielen noch etwas unter den Nullpunkt drehen zu können. Die Verstelltürme lassen sich nicht mechanisch festlegen, um unbeabsichtigtes Verdrehen zu verhindern. Damit sich der Seiten-Turm beim Streifen an der Kleidung nicht verstellt, verfügt er über eine frei rotierende Abdeckscheibe, die sich mitdreht, ohne die Treffpunktlage zu verändern. Will man den Turm bewegen, muss man mit zwei Fingern zugreifen. Bedingt durch den oben herausragenden Indikator Pin fehlt diese praktische Einrichtung beim Höhen-Turm leider, daher muss man ihm besondere Aufmerksamkeit schenken.
Der Drehring zur Parallaxe-Verstellung liegt am Fuß des Höhen-Turms. Zum Drehen des schmalen Stellrads ist etwas Kraft erforderlich. Eine Rastung bei 100 m fehlt, der Verstellbereich reicht von 20 m bis unendlich.
ZOOM-BEREICH ÜBER EINE HALBE UMDREHUNG
Der Zoomring deckt den gesamten Vergrößerungs-Bereich (3,5 bis 28fach) über eine halbe Umdrehung ab! Er ist grob geriffelt, hat einen Dorn-Fortsatz, läuft weich und geschmeidig und ist auch mit Handschuhen gut bedienbar. Noch besser gehts mit dem Schnellverstellhebel (Throw Lever), damit ist ein blitzschneller Vergrößerungswechsel auch im Anschlag sehr einfach. Der Dioptrie-Ausgleich am Okularende reicht von -3 bis +2 dpt, der Augenabstand beträgt komfortable 92 mm.
BRILLANTE OPTIK
Der Blick durch das K 328 i bietet höchsten Sehgenuss, sein Bild ist extrem scharf, kontrastreich und bildet auch die Farben natürlich und brillant ab – perfekte Arbeit der alten österreichischen Optik- Schmiede. Bei nachlassendem Licht liefert das 50er Objektiv noch sehr lange ein helles Bild. Das Einschießen war mit wenigen Schüssen erledigt, das Absehen arbeitet wie ein Uhrwerk, dazu auch noch sehr leise: Das feine Klicken ist kaum hör-, aber gut fühlbar. Mechanisch ist die Absehen-Verstellung auf allerhöchstem Niveau – nach dem Boxtest ergaben 20 Schuss ein perfektes Viereck, die letzte 5er-Gruppe lag mit der ersten auf 20 mm zusammen. Auf dem 300 m-Stand ist das Absehen trotz erster Bildebene selbst bei 28facher Vergrößerung noch fein genug, um präzise visieren zu können. Alle Elemente sind auch im Anschlag sehr gut bedienbar.
Resümee: Kahles neues K 328 i ist wahrlich ein optisches und mechanisches Meisterstück, ultrakompakt und in einer extrem robusten Verpackung. 4 300 € mögen auf den ersten Blick viel erscheinen, sind aber für einen solchen Weitschuss-Spezialisten allemal gerechtfertigt. Ambitionierte Jäger, die regelmäßig weiter schießen (etwa bei der Bergjagd auf bestimmte Arten gar nicht anders möglich), finden mit dem K 328 i ein Spitzen-Zielfernrohr in jeder Beziehung.
Norbert Klups