Ostwestfälische Jäger gegen Nationalpark Egge
Stellungnahme der Kreisjägerschaften Paderborn, Höxter und Lippe
Mit über 5000 Mitgliedern gehören die drei von einem möglichen Nationalpark Egge betroffenen Kreisjägerschaften zu den großen Naturnutzer-Verbänden der Region. Als lokale Organisation im DJV (anerkannter Naturschutzverband) sehen sich Jäger auch den Biodiversitäts-Zielen, dem Erhalt der Artenvielfalt, der weitestgehenden Störungsfreiheit aller Wildtiere und deren Lebensraumerhaltung verpflichtet.
Die Kreise Paderborn, Höxter und Lippe liegen mit einem Waldanteil von über 30 Prozent deutlich überm Landesschnitt, was letztlich auch die Bedeutung der heimischen Forstwirtschaft und der holzverarbeitenden Industrie begründet. Durch naturnahe Waldbewirtschaftung über Jahrzehnte entstanden in unserer Region Strukturen, die mehr Lebensraum für viele Pflanzen und Wildtiere geschaffen haben. Dies belegen Studien etwa zur Rückkehr von Schwarzstorch, Uhu, Kolkrabe, Wildkatze, Luchs und Wolf.
Artenschwund im Wald ist bei wissenschaftlicher Betrachtung der Fakten kein Argument für einen Nationalpark Egge. Wesentlich dramatischer stellt sich das im Offenland dar, wo Kiebitz, Lerche, Brachvogel oder Rebhuhn als heimische Leitarten des Offenlands vom Aussterben bedroht sind. Die Flächen der angedachten Gebietskulisse eines Nationalparks Egge wurden unter anderem auch aus diesen Gründen schon frühzeitig in großen Teilen unter hohen Schutzstatus gestellt – als Naturwaldzelle, Naturschutz-, Wildnis-, FFH- oder Vogelschutzgebiet.
Unzweifelhaft bedeutet diese Unterschutzstellung auch eine Anerkennung der naturnahen Schaffung, Nutzung und Pflege dieses besonderen Naturraumes durch heimische Land- und Forstwirte sowie Waldbauern – mit Unterstützung von Jägern der Region. Faktenbasiert ist nicht belegt, inwieweit die Ausweisung eines Nationalparks diesen ausgezeichneten Status noch verbessern kann oder besser schützt als bisher.
Die Auswirkungen des Klimawandels führten in den Wäldern der Region in den letzten Jahren zu großen Kahlflächen, diese sind teilweise wieder aufgeforstet oder durch natürlichen Aufwuchs einer zukünftigen naturnahen Waldbewirtschaftung gewidmet. Dabei leisten Jäger gemeinsam mit Forstwirten und Waldbauern seit Jahren enorme Anstrengungen, den Waldumbau durch gezielte Jagd an sogenannten Kalamitätsflächen zu unterstützen. Eine völlige Umnutzung des Waldes durch die Einrichtung eines Nationalparks macht diese finanziellen Investitionen und gemeinsamen Anstrengungen komplett überflüssig, wenn nicht gar nutzlos.
Im Hinblick auf die mögliche Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) haben sich Jäger in den letzten Jahren bei der Schwarzwildbejagung besonders für die Reduktion der Bestände mit Erfolg eingesetzt, um den enormen wirtschaftlichen Schaden für landwirtschaftliche Betriebe abzuwehren.
Zudem hat diese verstärkte Bejagung deutlichen Einfluss auf die Reduktion von Wildschäden an landwirtschaftlichen Kulturen. Bei der schmalen Ausformung der angedachten Gebietskulisse, mit vielen Unterbrechungen und Zerschneidungen mit Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sowie einer ICE-Strecke, würden sich extrem lange Übergänge zwischen einer Nationalparkfläche und den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen ergeben.
Fehlende vollflächige Bejagung in einem Nationalpark, die nach internationalen und nationalen Standards in weiten Teilen eines Nationalparkes gefordert sind, führt zwangsläufig zu erhöhtem Wildbestand mit möglicherweise fatalen Folgen für Wildschäden auf angrenzenden Wald und Landwirtschaftsflächen privater Eigentümer und einer Erhöhung der Schwarzwildbestände und ASP-Risiken.
Eine aktuelle Studie von Prof. Reiner (Uni Gießen) zur genetischen Verarmung des Rotwilds in NRW kommt zum Ergebnis, dass diese Wildart gerade im Lebensraum Senne - Teutoburger Wald - Egge aufgrund der teilweisen räumlichen Isolation akut gefährdet ist und ohne Gegenmaßnahmen mittelfristig nicht mehr vorhanden sein wird.
Der erforderliche genetische Austausch mit den Vorkommen im Arnsberger Wald/Sauerland findet im Wesentlichen auch über die Egge statt, also genau durch den geplanten Nationalpark. Bereits die Grünbrücke auf der B 64 zwischen Buke und Bad Driburg wurde mit diesem Fachwissen vor Jahren realisiert.
Planungen für eine Querungshilfe (Brücke oder Tunnel) für Wild über die B 1 zwischen Schlangen und Horn für das isolierte Rotwild-Vorkommen der Senne sind eingeleitet. Die zu erwartende erhebliche Ausweitung des Tourismus durch einen Nationalpark Egge führt zu deutlich höheren Störungseffekten für alle wild lebenden Tiere, besonders des Rotwilds, wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Nationalpark Eifel bestätigen diese Entwicklung. Die Folge wäre ein Ausweichen dieses größten Säugetieres unserer Region in störungsfreie Waldbereiche, die in der oft sehr engen Waldkulisse des geplanten Nationalparkes schlicht fehlen. Die genetisch notwendige Vernetzung durch die Egge wäre erheblich gefährdet. Der Störfaktor durch zusätzlichen Tourismus auf alle großen Wildtiere im Wald wird erheblich zunehmen, sodass das Wild zur Nahrungssuche Ausweichflächen außerhalb des Nationalparks suchen muss, vor allem zur Nachtzeit.
Die Wildschadensituation wird auf diesen Flächen zunehmen bzw. auf diese verlagert und Wildtiere wären für jeden Besucher bei Tage zunehmend unsichtbarer. Insgesamt wird ein Nationalpark Egge in der angedachten Gebietskulisse den Wechselwirkungen zwischen Lebensraum, wildbiologischen Anforderungen und Umwelteinflüssen nicht nur nicht gerecht, sondern stünde ihnen teilweise sogar kontraproduktiv gegenüber. Daher lehnen wir einen Nationalpark ab.
Berthold Antpöhler, Vorsitzender Kreisjägerschaft Paderborn
Achim Frohß, Vorsitzender Kreisjägerschaft Höxter
Dirk Reese, Vorsitzender Kreisjägerschaft Lippe