Große Sorgen am Niederrhein: Myxomatose bei Feldhasen

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Große Sorgen am Niederrhein: Myxomatose bei Feldhasen

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In den letzten Wochen kam es im Kreis Wesel zu dramatischen Ausbrüchen einer neuartigen Hasenseuche.

Myxomatose wird durch das Myxoma-Virus (MYXV), einem Erreger aus der Familie der Pockenviren hervorgerufen. Erste Ausbrüche dokumentierte man 1896 in Uruguay bei Hauskaninchen. Natürlicher Wirt ist das brasilianische Waldkaninchen (Sylvilagus brasiliensis/Tapeti), das nach einer Infektion kaum Krankheitsanzeichen zeigt – nur reaktionslose Pocken-Knoten unter der Haut. 1952 wurde der Erreger mutwillig nach Frankreich und Australien eingeführt, um dortige Wildkaninchen-Populationen zu dezimieren. Das Virus breitete sich rasch in ganz Europa aus und wies eine Mortalitätsrate von bis zu 100 Prozent auf (d.h. jedes infizierte Wildkaninchen verstarb an der Infektion). In dieser Zeit ging die Population in Europa um ca. 99 Prozent zurück! In den folgenden Jahrzehnten konnte dann beobachtet werden, dass sich die Bestände durch Anpassungsprozesse an das Virus erholten. 
- So konnte man eine genetische Resistenz-Entwicklung und den Aufbau von Immunität in einzelnen Populationen sowie
- die generelle Abschwächung kursierender Virus-Stämme nachweisen.
Bis heute treten bei Wildkaninchen allerdings auch immer wieder Ausbrüche mit Mortalitätsraten von bis zu 90 Prozent auf, besonders in Populationen mit hoher Bestandsdichte und geringer Immunität.
Übertragen wird das Virus durch Insekten und Körperflüssigkeiten, v. a. durch den Kaninchen-Floh, aber auch Stechmücken spielen eine Rolle. Da im Jahresverlauf die Populationsdichte von Wildkaninchen im Spätsommer am höchsten ist und dann  klimatisch die Hauptsaison der Stech-Insekten ist, häufen sich Ausbrüche in unseren Breiten häufig im August.

Massive Befunde bei Hasen am Niederrhein
Bislang galt die Erkrankung als kaninchen-spezifisch, nur ganz sporadisch fanden sich Nachweise bei Feldhasen. Erste Ausbrüche wurden in Frankreich und Irland in den 1950ern u. zuletzt in Großbritannien 2014 beschrieben. Infizierte Hasen zeigten dabei keine oder nur milde Krankheitsanzeichen. Zwischen Juli und September 2018 kam es zu schweren Ausbrüche in Spanien bei Iberischen Feldhasen (Lepus granatensis). Die Krankheit breitete sich schnell in umliegende Gebiete aus. Die Mortalität lag bei rund 55 Prozent, während ansässige Wildkaninchen nicht betroffen waren. Die Krankheitsanzeichen unterschieden sich von üblichen Myxomatose-Veränderungen bei Wildkaninchen – verendete Iberische Feldhasen zeigten knotige Veränderungen um Äser, Nase, Genital und After, jedoch nicht um Augen und Ohren, wie bei Kaninchen meist zu sehen. Dazu traten Ödeme und Blutungen in inneren Organen (v. a. der Lunge) auf. Durch aufwändige Forschung konnte eine neue Virus-Variante (ha-MYXV) als Auslöser identifiziert werden. Als Überträger wurden Stechmücken vermutet, da man z. T. große Distanzen zwischen den Ausbruchsorten feststellte. Die Erkrankung trat auch in den Folgejahren auf und verbreitete sich weiter. In einigen der betroffenen Gebiete gingen die Hasen-Jagdstrecken in den Folgejahren um bis zu 60 Prozent zurück. In den letzten Wochen wurden im Raum Wesel vermehrt Fälle von Myxomatose bei Feldhasen beobachtet. Durch Fallwild-Einsendung konnte im Veterinäruntersuchungsamt Krefeld eine eindeutige Diagnose gestellt werden. Zudem wurde zur Dokumentation Bild- und Probenmaterial gesichert. In Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung (FJW) soll in den kommenden Wochen weitere Diagnostik eingeleitet werden. Es handelt sich nach aktuellem Wissensstand um erste Nachweise der Erkrankung bei Feldhasen in Deutschland! Um sich ein realistisches Bild von diesem bislang einmaligen Ausbruchsgeschehen zu machen u. die weitere Ausbreitung einzuschränken, bittet die Forschungsstelle alle Jäger und zuständige Behörden um Mithilfe:
Was man nun tun sollte
- Bitte sammeln und dokumentieren Sie verendete Feldhasen und melden Sie über die zuständige Behörde an die Forschungsstelle (fjw@lanuv.nrw.de)
- Senden Sie verendete oder krank erlegte Feldhasen zur Untersuchung an die CVUÄ, damit gesicherte Diagnosen gestellt werden können.
- Übrige Feldhasen sollten aus der Umgebung geborgen u. unschädlich beseitigt werden (Tierkörperbeseitigung), damit sich der Erreger nicht weiter verbreiten kann.
- Bitte melden Sie Fälle von Myxomatose bei Wildkaninchen im selben Gebiet und senden auch diese Tierkörper zur Untersuchung an die CVUÄ
- Führen Sie im Herbst eine Feldhasen-Zählung (Scheinwerfer-Taxation) durch und melden Sie die Ergebnisse wie gewohnt an den Landesjagdverband.
- Passen Sie die Bejagung Ihres Bestandes entsprechend der Zählergebnisse und der aktuellen Bestandssituation an.
So sollte in Revieren, wo die Myxomatose einen Teil der Population dezimiert hat, auf eine Bejagung verzichtet werden, um verbliebenen Feldhasen zu ermöglichen, sich entsprechend zu erholen. Hasen, die eine Infektion überstehen, verfügen nämlich sehr wahrscheinlich über entsprechende Antikörper gegen das kursierende Myxomatose-Virus. Dies würde es ihnen ermöglichen, auf einen erneuten Eintrag (schlimmstenfalls schon 2025) mit einer gezielten Immun-Reaktion zu antworten – und so nicht zu erkranken!