Test: Ruger 77 Guide Gun

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Test: Ruger 77 Guide Gun

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Mit der 77 Guide Gun hat US-Hersteller Ruger einen Repetierer im Programm, der speziell für Jagdführer entwickelt wurde und noch unter härtesten Einsatzbedingungen zuverlässig funktionieren soll. Norbert Klups hat das Arbeitstier fürs Revier gestestet.

Die 77-Serie geht bis aufs Jahr 1967 zurück. Ihren Erfolg verdanken Ruger-Repetierer ihrem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und ihrer Robustheit.

Grundlage der kostengünstigen Produktion ist ein perfekt beherrschtes Präzisions-Stahlguss-Verfahren, mit dem sich Systemteile fast im Endmaß herstellen lassen, die danach nur noch geringer maschineller Bearbeitung bedürfen.

Bei der Konstruktion der Repetierer orientiert sich Ruger am 98er, trotzdem finden sich technische Neuerungen.

Die Verriegelung erfolgt durch zwei starke Warzen im Hülsenkopf. Der Auszieher nach Mauserart, der die Patrone bereits beim Aufsteigen aus dem Magazin sicher fasst und bis zum Auswerfen nicht mehr loslässt, trägt viel zum guten Ruf des 98ers bei.

Die Kammer ist hinten verdickt, was für eine fast spielfreie Führung sorgt. Das weitgehend geschlossene Schlösschen ist gut gegen Staub geschützt.

An der rechten Schlossseite liegt eine Dreistellungs-Sicherung – in der mittleren Stellung lässt sich die Kammer auch in gesichertem Zustand öffnen, auch mit Zielfernrohr ist die Bedienung kein Problem.

Die Sicherung sperrt nur den Abzug. Ruger benutzt für die Guide Gun das lange System, womit sie auch für Jagdführer in Nordamerika und Afrika interessant ist, denn mit .375- und .416-Kaliberns lässt sich auch stärkstes Wild zur Strecke bringen.

Die Jagdpraxis-Testwaffe in .30-06 lässt sich hierzulande universell einsetzen.

Das Fest-Magazin nimmt vier Patronen auf und lässt sich über einen Klappdeckel leichter entladen. Der Direktabzug verfügt über einen kurzen, aber durchaus spürbaren Vorzug und löst  erst bei 1.750 g aus – nicht gerade optimal.

Zur spürbaren Verbesserung gibts für die MK 77 zahlreiche After-Market-Abzüge. Die Überarbeitung durch einen guten Büchsenmacher hilft natürlich auch, ist allerdings auch nicht billiger als ein verstellbarer Timney-Abzug für 199 €.

Lauf und System der Guide Gun sind aus Stainless, was die Waffe sehr pflegeleicht macht. Die Oberfläche ist matt gestrahlt, sodass Reflexe durch blanken Stahl nicht zu befürchten sind.

Kurzer Lauf mit Gewinde,
Mündungsbremse oder -gewicht
Der gehämmerte Lauf ist 50,8 cm lang (Mündungsdurchmesser: 17,8 mm), auf das Mündungsgewinde passt eine Bremse, eine Abdeckkappe oder ein Gewicht –
alles im Lieferumfang enthalten!

Eine Mündungsbremse ist v. a. bei starken Kalibern wie der .375 oder .416 Ruger durchaus sinnvoll. Durch den reduzierten Rückstoß sind schnelle Folge­schüsse möglich – gerade in gefährlichen Situationen nicht ganz unwichtig ...

Bei einer .30 - 06 wird man hingegen kaum eine Bremse benötigen, zumal die Guide Gun über 3,6 kg wiegt.

Ruger Mündungsbremse
Die Mündungsbremse lässt sich abschrauben und durch ein Laufgewicht ersetzen, so dass die Treffpunktlage erhalten bleibt – oder man deckt das Gewinde mit einer Kappe ab.

 

Eine Mündungsbremse macht die Waffe um rund 4 cm länger. Und v. a. lauter – ohne Gehörschutz sollte man mit aufgesetzter Mündungsbremse keinesfalls schießen! Praktisch ist der rückstoßreduzierende Aufsatz allerdings für größere Serien im Schießkino.

Allerdings verändert sich beim Ab- und Aufschrauben durch das Gewicht der Bremse die Laufschwingung und es kommt zu durchaus jagdlich relevanten Abweichungen: Bei unserer Testwaffe veränderte sich die Treffpunktlage je nach Laborierung ohne Mündungsbremse bis zu 6 cm.

Um das zu vermeiden, liefert Ruger ein Laufgewicht mit gleicher Masse wie die Bremse – funktionierte beim Präzisionstest bestens.

Wer keine Bremse braucht, schraubt einfach den Gewindeschutz auf (4 cm kürzer), wer die Bremse gelegentlich nutzen will, schießt damit ein und nutzt im Alltag das Mündungsgewicht ohne Treffpunktlageveränderung – eine sehr sinnvolle Ausstattung, alles im Lieferumfang und nicht optional gegen Aufpreis!

Selbstverständlich kann man das Gewinde nach Abbau des Korns auch zur Montage eines Schalldämpfers verwenden (Standard-US-Gewinde: 5/8“ 24 Gang UNEF).

Gutes offenes Visier
Der Kornsattel der Guide Gun wird mit einem Ring über den Lauf geschoben und ist ebenfalls aus mattiertem Edelstahl.

Das schwarz brünierte Korn hat eine weiße Perle, der Edelstahl-Sattel ist mattiert, das seitlich eingeschobene Kimmenblatt mit V-Ausschnitt schwarz mit weißem Mittel­strich, zur Seitenkorrektur lässt sich die Kimme verschieben.

Im Test schoss die Büchse auf 50 m mit 180 grs.-Geschossen genau Fleck. Sehr praxisgerecht und robust liegt auch der Riemenbügel im richtigen Abstand zur Laufmündung. Im Vorderschaft findet sich eine zusätzliche Gewindebuchse, in der man bei Bedarf ein Zweibein befestigen kann – auch dabei wurde mitgedacht.

Ruger Riemenbügel
Der vordere Riemenbügel (r.) ist mit einem Ring über den Lauf gezogen. Im Vorderschaft ist ein durch eine Schraube verschlossenes Gewindestück für eine zweite Base vorhanden (l.), an der man ein Zweibein befestigen kann.

 

Praktisches Schaft-Konzept
Eigentlich hätte man einen Kunststoffschaft erwartet, aber Ruger setzt auf Schichtholz. Das ist ebenfalls sehr witterungsbeständig, bringt aber mehr Gewicht – bei leistungsstarken Kalibern keine schlechte Idee.

Der Farbmix Green Mountain von Grün, Grau und Braun wirkt attraktiv, die Oberfläche ist matt gehalten, an Vorderschaft und Pistolengriff findet sich griffige Fischhaut (bei Schichtholz gar nicht so einfach hinzubekommen), zwei Querstollenverschraubungen liefern zusätzliche Stabilität.

Bei US-Büchsen wird oft eine zu kurze Schaftlänge bemängelt, die Länge der Guide Gun lässt sich daher individuell anpassen. Zum Lieferumfang gehören 12,7 mm dicke Zwischenlagen, eine ist bereits montiert, zwei werden beigelegt.

Damit lässt sich der Schaft fast 4 cm verlängern, sehr praktisch etwa im Winter mit dicker Kleidung – einfach ein Zwischen­stück entfernen und es passt wieder. Abgeschlossen wird der Schaft mit einer gut dämpfenden Gummikappe.

Ruger Schaftkappen
Die Schaftlänge lässt sich über Zwischenlagen anpassen – drei werden mitgeliefert, hier ist eine eingelegt.

 

Zielfernrohr und Montage
Das System ist werksseitig mit Ausfräsungen für die hauseigene Integralmontage versehen. Passende Montageringe gehören (wen wunderts noch) ebenfalls zum Lieferumfang, aber leider nur US-übliche Zoll-Ringe.

Wir haben uns von Importeur AKAH 30-mm-Ringe schicken lassen, um damit ein Hawke Frontier 1 - 6 x 24 zu montieren. Das kompakte Drückjagdzielfernrohr mit 6-fach-Zoom bietet mit 36 m Sehfeld für nur 749 € eine Menge und passt gut zur Guide Gun.

Mit 6-facher Vergrößerung sind selbst Schüsse auf 200 m kein Problem, auf Kurzdistanz dreht man einfach auf und kann mit beiden Augen offen sehr schnell schießen. Dazu ist das Leuchtabsehen in 11 Stufen dimmbar und auch bei hellem Sonnenlicht schnell zu erkennen.

Auf dem Schießstand
Übers Zielfernrohr wurde auf 100 m aus dem Schießgestell geschossen. Mit verschiedenen Laborierungen wurde auch die Mündungsgeschwindigkeit gemessen, denn bei so kurzen Läufen ist auch die Leistungsausbeute interessant:

Streukreise Ruger Guide Gun

Den besten 5-Schuss-Streukreis lieferte Winchesters Extreme Point 150 grs. mit 28 mm, wirklich schlecht schoss keine Laborierung.

Auch die Leistung konnte sich durchaus sehen lassen – gegenüber der Herstellerangabe mussten zwar inallen Fällen deutliche Abstriche gemacht werden, aber der Leistungsverlust lässt sich in der Praxis verkraften.

Dafür muss man aber ein deutlich sichtbares Mündungsfeuer in Kauf nehmen. Am Tag fällt das kaum auf, in der Dämmerung dagegen schon. Mit Mündungsbremse schießt sich die Waffe wie eine .243, doch auch ohne Bremse ist der Rückschlag durch das nicht zu geringe Waffengewicht problemlos beherrschbar.

Resümee
Rugers Guide Gun macht ihrem Namen alle Ehre und wird den Anforderungen professioneller Jagdführer voll gerecht. Sie ist sehr funktionssicher, pflege­leicht, robust, hat ein gutes offenes Visier, lässt sich unterschiedlichen Situationen anpassen und bleibt bezahlbar.

Angesichts des umfangreichen Zubehörs, zu dem auch noch ein Abzugsschloss gehört, ist die Waffe mit 1.640€ sogar sehr günstig – eine solide, handliche Büchse, die alles mitmacht und nur optisch aus dem Rahmen fällt – allerdings sehr angenehm.

Technische Daten Ruger Guide Gun