Tierliebe contra Tierschutz
In jedem Frühjahr kommt es erneut zur Aufnahme vermeintlich hilfloser Tieren durch Menschen, die es zwar gut meinen – häufig dabei allerdings in Unkenntnis Pflegefälle produzieren, die bei entsprechender Aufklärung vermieden werden könnten. Nicht selten fehlt es an den Kenntnissen über biologische, aber auch rechtliche Zusammenhänge.
Häufig werden Greifvögel und Eulen im sogenannten Ästlings-Stadium eingesammelt – mit der Vorstellung, da säße ein hilfloser Vogel auf dem Boden, der nicht fliegen könne. Tatsächlich aber haben diese Jungtiere gerade das Nest oder den Horst verlassen, können noch nicht richtig fliegen und sitzen deshalb vorzugsweise im Geäst von Bäumen, wo sie auf die Elterntiere warten, die sie zuverlässig füttern werden (daher auch der Begriff Ästling). Es ist die gefährlichste Zeit im Leben dieser wenigen Wochen alten Vögel, da sie am Boden leicht Opfer von Raubwild oder Katzen werden. Richtig wäre es, wenn man sie kurz aufnimmt, in einen Baum setzt oder auf ein Dach (in eine erhöhte Position also), wo Beutegreifer sie nicht so leicht einsehen können. Von den Elternvögel motiviert, lernen sie bald nicht nur fliegen, sondern auch das selbständige Beuteschlagen.
Auch Junghasen und Kitze werden „gern“ von Spaziergängern oder spielenden Kindern mitgenommen. Jäger wissen, dass sich diese Jungtiere auf ihren Drück-Reflex verlassen – und eine Tarnung, die sie in der Vegetation unauffällig werden lässt. Dass Häsinnen und Ricken ihren Nachwuchs nicht verraten möchten und diesen nur wenige Mal am Tag aufsuchen, um zu säugen, ist vielen Menschen nicht bekannt. Auch in solchen Fällen gilt es möglichst zeitnah herauszufinden, wo die Fundstelle war ... und Junghasen oder Kitze wieder zurückzubringen.
Wer ist zuständig?
Wirklich hilfsbedürftige, verlassene oder gar verletzte Wildtiere gibt es natürlich auch – und in fachkundige Hände gegeben könnten viele davon gepflegt und später wieder ausgewildert werden, aber wer ist eigentlich zuständig?
Unkundige Finder rufen in ihrer Not nicht selten Polizei, Feuerwehr, Forstamt oder den örtlichen Tierschutzverein zur Hilfe. Qualifizierte und erfahrene Personen und Institutionen sind offizielle Wildtier- oder Greifvogel-Auffangstationen (www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/natur/arten/pdf/
Auffangstationen_Greifvoegel.pdf).
Die dortigen Experten haben das nötige Fachwissen etwa um die richtige Ernährung und Haltung.
Aber auch die geltende Rechtslage muss beachtet werden.
Nicht jedes Tier darf wieder ausgesetzt werden
Nach § 45 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere gesund zu pflegen. Sie sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmten Stelle abzugeben.
Ganz wichtig ist der in diese Vorschrift eingearbeitete jagdrechtliche Vorbehalt. Alle Wildtiere, die unter das Jagdgesetz fallen (§ 2 LJG NRW), unterliegen dem Aneignungsrecht des jeweiligen Jagdausübungsberechtigten:
- Bei Greifvögeln, Hasen wie Kitzen ist also der entsprechende Jagdpächter erste Ansprechperson,
- bei nicht Jagdrecht (Hegepflicht) unterliegenden Eulen und Störchen ist die Naturschutzbehörde zuständig und organisiert gegebenenfalls auch den Transport zur nächsten Wildtierauffangstation.
Gemäß § 40 a Abs. 1 Ziff. 2 BNatSchG dürfen allerdings invasive Arten wie etwa Waschbären nicht ausgesetzt werden, da ihre Einbringung Ökosysteme, Lebensräume oder Arten gefährden. Deshalb darf auch ein gesund gepflegter Waschbär nicht mehr frei gelassen werden.
Nur in fachkundigen Kreisen weiß man, ob die Pflege eines Wildtieres und seine anschließende Freilassung sinnvoll ist. Besonders bei schweren Verletzungen und langer Behandlungsdauer ist es fraglich, ob sich in Gefangenschaft überhaupt eine körperliche Konstitution erzielt lässt, die ein selbständiges Leben in der freien Wildbahn und Beutemachen ermöglicht. In der Regel muss so ein Pflegling sorgfältig auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Dazu ist ein entsprechendes Training ebenso erforderlich wie die Auswahl eines geeigneten Ortes unter Beachtung etwaiger Revierverhältnisse im biologischen Sinne – damit der ausgesetzte Pflegling nicht von Artgenossen verdrängt oder gar geschlagen wird.
Die Aufzucht und Pflege von Wildtieren wird in vielen Landkreisen von erfahrenen und engagierten Jägern durchgeführt, die eine enorme Arbeit leisten: Spezialfutter und Unterbringungsmöglichkeiten müssen mit finanziellem Aufwand beschafft werden, beim zeitlichen Aufwand sind ungezählte Einsätze abends, nachts und an Wochenenden gar nicht genügend wertzuschätzen. Das Gleiche gilt für diejenigen, die sich um Aufklärung bemühen, etwa mit Rollenden Waldschulen, damit viele vermeintliche Pflegefälle von vornherein vermieden werden.
Autor: RA Dr. Walter Jäcker, stellvertretender Justiziar LJV NRW