Produktionsende von Jagdoptik in Deutschland angekündigt: Wie es mit Zeiss weitergeht
Vor wenigen Tagen teilte der traditionsreiche Hersteller Zeiss mit, nach über 175 Jahren die Herstellung von Jagd- und Sportoptik am Standort Deutschland Ende 2026 einzustellen. Über die Gründe und die Zukunft – besonders die Frage, was diese Entscheidung für viele Jäger bedeutet, die Ferngläser, Zielfernrohre, Wildkameras u. v. m. mit dem berühmten blauen Logo benutzen, sprachen wir mit Sebastian Kneißle (Head of Sales Central Europe für Zeiss Jagd & Natur).
Optische Produkte der Marke Zeiss haben unter Jägern einen guten Ruf, seit Generationen gelten Ferngläser, Zielfernrohre und Spektive – und in den letzten Jahren auch Wärmebildgeräte als wichtige Handwerkszeuge rund um die Jagd bei uns. Was führte dazu, dass es diese Produkte zukünftig nicht mehr made in Germany geben wird?
Wir sind und wir bleiben der Jagd und der Naturbeobachtung bei Zeiss leidenschaftlich verbunden. Unsere Strategie setzt darauf, dass wir in allen relevanten Marktsegmenten mit Innovationen und einem überzeugenden Produktportfolio vertreten sind. Für uns sind das analoge Premiumoptiken, analoge Optiken im Mittelpreis- und Preiseinstiegssegment, Wildkameras und digitale Optiken. Wir müssen uns aber auch wettbewerbsfähig aufstellen – und dazu zählt, dass wir unsere Lieferkette in Teilen anpassen. Die Montage in Wetzlar werden wir aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der steigenden strukturellen Kostennachteile Ende 2026 auslaufen lassen. Damit können wir uns noch stärker auf Kernkompetenzen wie Entwicklung von Optik und digitalen Produkten, Design, Qualitätsmanagement, Kundenservice und Marketing fokussieren.
Für einige Kunden ist made in Germany wichtig, im globalen Kontext hat dieser Wert jedoch viel von seiner Bedeutung verloren. Für alle Kunden zählen innovative, wettbewerbsfähige Angebote in allen vier Produktsegmenten. Auch Verbraucheransprüche haben sich verändert – viel stärker als früher stehen heute Nutzerfreundlichkeit, Design, überzeugender Service und das digitale Ökosystem im Vordergrund. Genau dort setzen wir mit unserer Strategie an – mit einzigartiger Kompetenz in Design, Forschung, Produktentwicklung und Qualitätsmanagement gestalten wir unser Produktportfolio und liefern Zeiss-Produkte und Lösungen, die im Einsatz überzeugen. Das passionierte Team bei Zeiss – darunter viele Kolleginnen und Kollegen, die selbst jagen und der Naturbeobachtung nachgehen – kennen die Ansprüche der Anwender sehr genau und dies fließt direkt in die Entwicklung von Produkten und Services ein.
Bereits in der Gegenwart wurden optische, mechanische und elektronische Komponenten von Jagdoptik im Ausland an Standorten in Osteuropa und vor allem in Fernost hergestellt bzw. zugekauft. Was bedeutet es für Produkte mit dem blauen Zeiss-Logo, wenn diese demnächst komplett im Ausland entstehen, wie will Zeiss den Qualitätsanspruch, der mit dem blauen Logo verbunden ist, auch zukünftig sicherstellen?
Das blaue Logo steht auch in Zukunft unverändert für höchste Qualität. Wo Zeiss draufsteht, ist Zeiss drin – Forschung und Entwicklung, Design, Qualitätsmanagement, Entwicklung digitaler Services und weitere zentrale Funktionen sind in Oberkochen und Köln beheimatet und damit wie eh und je made in Germany. Unabhängig vom Fertigungsstandort wird auch in Zukunft jedes Produkt aus unserem Haus für Innovation, Nutzerfreundlichkeit und Zeiss stehen.
Was bedeutet die Produktionseinstellung in Deutschland für die zahlreichen jagdlichen Anwender von Zeiss-Produkten in Deutschland, besonders im Hinblick auf Garantie-Leistungen, Reparaturen und den Service in der Zukunft?
Für Kunden und Anwender gelten die Garantieleistungen, die Serviceangebote für Wartung und Reparatur sowie Kundenservice unverändert. Unser Zeiss-Service-Team bleibt in Wetzlar wie gehabt bestehen und wird diese Leistungen auch in Zukunft mit einem Höchstmaß an Kompetenz und Leidenschaft erbringen.
Seit einigen Jahren vertreibt und betreut Zeiss Sport Optics auch Wildkameras der ehemals unabhängigen Marke Secacam. Mit erheblichem Aufwand wurden etwa noch vor wenigen Monaten auf führenden Messen wie der Dortmunder Jagd & Hund neue Wildkameras präsentiert. Damit verbunden sind nicht nur reine Hardware-Komponenten, sondern auch Dienstleistungen wie monatliche Datenpakete u. Ä. Was bedeutet die angekündigte Ein-stellung der Fertigung in Deutschland speziell für die Anwender von Zeiss/Secacam-Wildkameras, gelten mit dem Kauf dieser Produkte abgeschlossene langjährige Verträge über vereinbarte Dienstleistungen weiter?
Für alle, die Zeiss-Secacam-Wildkameras nutzen, ändert sich nichts. In Wetzlar fertigen wir bis Ende 2026 analoge Premiumoptiken, unsere Wildkameras kommen mit den Veränderungen am Standort Wetzlar gar nicht in Berührung. Zeiss-Secacam-Wildkameras sind eine Ergänzung unseres Produktportfolios, wie in anderen Marktsegmenten investieren wir hier weiter signifikant in Innovationen und digitale Angebote. Mit der Einführung der Wildkameras haben wir gerade in Deutschland und Europa diesem Segment neue Impulse gegeben, Monat für Monat kommen viele neue Anwender dazu und damit wächst die Community stark. Ich darf natürlich noch nichts verraten, aber wir dürfen alle gespannt sein – unsere Ideen-Liste ist lang und wir werden sowohl bei der Hardware als auch bei der App und digitalen Angeboten kontinuierlich Innovationen sehen!
Welche Konsequenzen hat die Produktionseinstellung in Deutschland für den hiesigen Handel? Über welche Vertriebswege wird Zeiss-Jagdoptik zukünftig hierzulande angeboten? Plant Zeiss, solche Produkte auch über Online-Shops o. Ä. direkt anzubieten?
Für unsere Handelspartner und Vertriebswege gibt es deswegen keine Veränderungen. Zeiss-Produkte sind unverändert lieferbar, wir bringen kontinuierlich neue Produkte auf den Markt und bleiben mit Kundenservice, Qualitätssicherung und Logistik in Wetzlar beheimatet. Natürlich spielen gerade auch Online-Kanäle eine wichtige Rolle, besonders bei der Informationsbeschaffung und auf dem gesamten Weg zur Entscheidungsfindung. Da wird es auch zunehmend wichtig, Informationszugang und Prozesse für unsere Verbraucher schnell, einfach und bequem zu gestalten, wozu die gesamte Klaviatur des Multichannel-Marketings zählt. Unsere Fachhandelspartner sind und bleiben für uns aber der zentrale Vertriebsweg. Wir haben etwa in Deutschland erst jüngst in den Ausbau unseres Vertriebsteams investiert – ich denke, das ist gerade in Zeiten wie im Moment ein sehr deutliches Signal und wir können damit unseren Handelspartnern noch besser zur Seite stehen.
Aktuell diskutieren Jäger intensiv, wie ihre optische Ausrüstung der Zukunft wohl aussehen wird. Im Zeitalter immer kurzfristigerer Takte elektronischer Baugruppen (Chips, Sensoren) – und damit verbunden ganz neuer Generationen von Jagdoptik (Wärmebildkameras, digitale Tageslichtoptik, Entfernungsmesser, automatische Foto- und Video-Funktionen) stellt sich die Frage, ob wir zukünftig noch „alte“ Technik – hochwertige Ferngläser und Zielfernrohre – benötigen oder der Jäger von morgen ausschließlich mit Hightech-Multifunktions-Produkten, die Wärmebild-, digitale Tageslicht-, Laser-Entfernungsmessung u. v. m. in einem bieten, unterwegs sein werden. Glauben Sie, dass auch die nächste(n) Generation(en) von Jägern noch hochwertige (und hochpreisige) rein analoge Ferngläser und Zielfernrohre benötigen?
Es ist ein Stück weit eine persönliche Philosophiefrage, wie stark sich jeder Einzelne der Technik und digitalen Aspekten verschreiben möchte. Bei Zeiss gehen wir davon aus, dass es künftig sowohl für analoge wie digitale Produkte einen Markt geben wird. Damit kann man sagen – ja, auch kommende Generationen an Jägerinnen und Jägern werden ein hochwertiges Fernglas, ein Präzisionszielfernrohr und vielleicht ein Spektiv in ihrer Ausrüstung haben. Deshalb setzt Zeiss im Bereich Jagd & Natur auch auf Engagement in all diesen Marktsegmenten, analog wie digital.
Doch gleichzeitig erlebt die Industrie und damit die Palette an Ausrüstung einen Digitalisierungs-Schub. Der Erfolg der Wildkameras, die steigende Popularität von Apps und Communities sowie KI-gestützter Mehrwertangebote als Teil analoger oder bereits digitaler Produkte sind dafür unübersehbare Signale. Und wir wissen auch – wenn Technologie uns Menschen das Leben leichter macht, wird sie sich durchsetzen. Wir sind als Teil der Zeiss-Gruppe in der vorteilhaften Position, auf Kompetenzen der gesamten Gruppe zugreifen zu können. So bündeln wir einerseits über 175 Jahre Kompetenz in Optik, die lange Zeit analog geprägt war, betreiben aber heute gleichzeitig zentrale Entwicklungszentren für Digitales, Künstliche Intelligenz und Opto-Elektronik. Wir haben damit alle Möglichkeiten, unser Produktportfolio – analog wie digital – laufend zu überarbeiten und Antworten auf sich verändernde Anforderungen oder neue Möglichkeiten zu finden. So werden Jägerinnen und Jäger in Zukunft schneller und noch mehr Innovationen aus dem Hause Zeiss zu sehen bekommen – ganz gleich, ob sie analog oder digital bevorzugen.
Vielen Dank für das Gespräch!