Thüringer Achtfach-Zoom

Lesezeit
4 minutes
Bisher gelesen

Thüringer Achtfach-Zoom

Erstellt in
Kommentare

Der Zoombereich bei Zielfernrohren wird ständig größer, sechsfach ist längst Standard und nahezu alle großen Hersteller haben Modelle mit höheren Zoom-Faktoren im Programm. Jetzt stellt auch Noblex (Eisfeld/Thür.) das erste Zielfernrohr mit achtfachem Zoom vor, wir haben das Inception 2,5 – 20 x 50 getestet.

Hohe Zoom-Faktoren ermöglichen einen weit gesteckten Anwendungsbereich, wenn man eine gute Kombination aus Vergrößerung und Objektivdurchmesser wählt, kann ein solches Glas fast alles abdecken. Mit der neuen Modellreihe hat Noblex ein praxisgerechtes Setup gefunden.
Die 2,5-fache Eingangsvergrößerung mit 14 m Sehfeld reicht für die meisten Drückjagden aus, die 20-fache Endvergrößerung erlaubt auch sehr weite Schüsse und ein genaues Ansprechen des Zieles, ein 50-mm-Objektiv sollte auch in der Dämmerung noch ein ausreichend helles Bild liefern. Zur Saujagd mit Nachtsichtvorsatz wurde das Inception speziell ausgerichtet. Variable Zielfernrohre für alle Jagdarten gibt's natürlich auch von großen Marken (Zeiss, Swarovski, Schmidt & Bender) – aber nicht für unter 1 500  € ...

Was bietet das neue Inception?

Bei der Ausstattung wurde zumindest nicht gespart, es findet sich alles, was sich auch ambitionierte Distanzschützen wünschen – hohe Target-Türme, Parallaxe-Ausgleich und Leuchtabsehen sind ebenso vorhanden wie mit 320 cm ein gewaltiger Absehen-Verstellbereich. Selbst für sehr weite Distanzen ist damit keine vorgeneigte Montage erforderlich.
Der Höhenverstellturm lässt sich dreimal um 360° drehen, um diesen Bereich abzudecken – was aber nur Sportschützen für extrem weite Schüsse brauchen. Grundsätzlich birgt so ein Drehwurm die Gefahr, in den falschen Umdrehungsbereich zu geraten, wenn man daran herumspielt. Um dies zu verhindern, lässt sich der Turm nach einer Umdrehung blockieren – dann verbleiben immer noch 95 cm Verstellbereich – jagdlich völlig ausreichend. Die Türme lassen sich nach dem Einschießen nullen, der Turm für die Seitenverstellung lässt sich blockieren, um ein unbeabsichtigtes Verstellen zu verhindern. Vor der Benutzung muss er zunächst etwas herausgezogen werden, um ihn zu drehen, nach der Korrektur sollte man ihn natürlich wieder hineindrücken.
Der Höhenverstellturm verfügt über einen sogenannten Zero-Stop, den man nach Einschießen so justiert, dass er sich nicht über die Nullmarke hinaus nach Minus drehen lässt.
Der gewaltige Verstellbereich von über 3 m wäre mit einem 30-mm-Mittelrohr unmöglich.
Da auch die Thüringer Optik-Ingenieure nicht zaubern können, hat das neue Inception ein Mittelrohr von 34 mm (wie bei Long-Range-Gläsern üblich).
Die Proportionen des Zielfernrohres sind dennoch sehr ausgewogen, wozu auch das Objektiv beiträgt, das einen Außendurchmesser von 59 mm hat – bei einer 50-mm-Linse durchaus üppig.
Grund dafür ist die zunehmende Verwendung von Vorsatzgeräten zur Saujagd, die mit Klemmadaptern am ZF-Objektiv befestigt werden.
Dafür wurden Zielfernrohre ursprünglich nicht konstruiert.
So hört man immer wieder von gesprungenen Frontlinsen, wenn die Klemmkraft des Adapters zu groß und die Wandung des Objektives zu schwach ist.
Die alte Handwerker-Weisheit "Nach fest kommt ab" gilt dabei in abgewandelter Form – nach fest kommt klick ...
Herkömmliche 50er-Zielfernrohre haben Außendurchmesser von 56 bis 57 mm. Es ist natürlich sinnvoll und zu begrüßen, bei einem ganz neu konstruierten Zielfernrohrkörper an dieser Stelle gleich bessere Voraussetzungen zu schaffen. Noblex stattet das Inception-Objektiv außerdem mit einem Innengewinde M 53 x 0,75 aus, mit dem man Vorsatzgeräte auch ohne Klemm-Adapter (!) direkt ans Zielfernrohr schrauben kann – bei dieser Wandstärke ist das möglich.

Zum neuen Zielfernrohr auch ein neues Absehen

Das Absehen liegt beim Inception in der ersten und nicht wie bei den meisten modernen Zieloptiken in der zweiten Bildebene. Technisch hat das enorme Vorteile, denn so ist eine Veränderung der Treffpunktlage konstruktiv ausgeschlossen. Bei Absehen in der 2. Bildebene sind erhebliche Abweichungen möglich – erst recht bei höherem Zoomfaktor. Um diese in engen Grenzen zu halten, ist ein enormer Fertigungsaufwand nötig. Tophersteller haben das im Griff, was sich aber natürlich beim Preis niederschlägt.
Gravierender Nachteil bei Absehen in der 1. Bildebene ist ihr sich mitvergrößerndes Absehen, das vor allem bei sehr hoher Endvergrößerung viel vom Ziel verdeckt. Um dem entgegenzutreten, hat Noblex ein neues Absehen entwickelt: Das MHR (Mil Hunting Reticle) ist so filigran, dass es auch bei maximaler Vergrößerung das anvisierte Objekt kaum abdeckt. Bei kleinen Vergrößerungen ähnelt es einem Plex-Absehen mit sehr feinem Fadenkreuz. Zoomt man hoch, werden  zusätzliche Markierungen und Zahlen sichtbar. So ein taktisches Absehen hilft, bei Weitschüssen den Geschossabfall auszugleichen. Bei Absehen in der 1. Bildebene geht das in jeder Vergrößerung – wenn für die Absehen-Schnellverstellung mal keine Zeit mehr bleibt, ein zusätzliches Hilfsmittel.
Die Leuchteinheit liegt zusammen mit dem Parallaxen-Ausgleich links am Mittelrohr und wirkt auf das kleine, innere Kreuz. Justiert werden kann in sechs Stufen, in Zwischenstufen schaltet sich die Absehenbeleuchtung aus – zum Einschalten reicht ein minimaler Dreh, um die vorher angewählte Leuchtstufe erneut zu erreichen.
Man sollte nicht vergessen, die Absehenbeleuchtung auszuschalten – eine automatische Abschaltung ist nicht vorhanden. Der Parallaxe-Ausgleich reicht von 10 m bis unendlich und lässt sich ebenso weich und ruckfrei betätigen wie der Zoomring vor dem Okular, der den kompletten Vergrößerungsbereich über eine halbe Umdrehung abdeckt.
Ein kräftiger Nocken bei 8-Fach erleichtert das Drehen und die Bedienung mit Handschuhen. Die grob geriffelte Dioptrien-Schnellverstellung am Okularende reicht von -3 bis +2 dpt, der Augenabstand liegt mit 90 mm im üblichen Bereich. 

Optik und Mechanik

Für den RWJ-Praxistest kam das Testglas mit einer Festmontage auf eine Präzisionsbüchse SWS 2000 im Kaliber .308 Win. Das Einschießen auf der 100-m-Bahn war schnell erledigt und wir wechselten auf 300 m. Das innere Fadenkreuz ist auch bei hoher Vergrößerung so fein, dass sich das Zentrum der Scheibe problemlos anvisieren lässt. Das Inception liefert ein klares, helles Bild mit ordentlichem Kontrast und akzeptabler Randschärfe. An ein Zeiss oder Swarovski kommt es nicht ganz heran, aber die sind auch doppelt so teuer.
Die Mechanik ist hervorragend, wir haben den Höhenverstellturm etliche Male über größere Bereiche verstellt – in der Ausgangsstellung schoss die Waffe immer wieder Fleck. 
Die Transmission wurde im Labor bei Tag mit knapp über 92 und nachts mit guten 89 % gemessen – sehr ordentlich und jagdlich auch bei schlechtem Licht voll brauchbar. Diese Messergebnisse bestätigten sich auch im Revier – bei zunehmender Dunkelheit muss man die Vergrößerung runterdrehen, damit das Bild nicht milchig wird, bei 8- bis 10-fach ist es aber noch angenehm hell – zur Jagd an der Kirrung sind höhere Vergrößerungen aber kaum nötig.
Das Leuchtabsehen erschien uns in der Eingangsstufe etwas zu hell und überstrahlt ein wenig. Es wird aber auch das ganze Innenkreuz beleuchtet (nicht nur ein kleiner Zielpunkt), was konstruktiv schon für mehr Licht sorgt.
Bei Tageslicht ist der rote Punkt dagegen angenehm hell, auch mit einem Vorsatzgerät gibt's da keine Probleme.

Nützliches Zubehör

Zum Lieferumfang gehören sehr gute Flip-Up-Klappen für Objektiv und Okular (die bei anderen Herstellern allein dreistellige Aufpreise kosten), bei der ersten Auslieferungsserie werden dazu eine 75-mm-Sonnenblende und ein Wabenfilter mitgeliefert, die sich ins Objektivgewinde drehen lassen – für Sportschützen nützlich.
Resümee: Das Noblex 2,5 – 20 x 50 Inception spricht Jäger an, die ein möglichst universell einsetzbares Zielfernrohr suchen, mit dem sich fast jede jagdliche Situation abdecken lässt. Außer auf reinrassigen Drückjagdwaffen, auf denen ein 800 g-ZF zu schwer wäre und zu hoch baut, macht es überall eine gute Figur. Es ist dazu sehr solide verarbeitet (nirgendwo Kunststoff) und komplett ausgestattet, lediglich eine Abschalt-Automatik am Leuchtabsehen fehlt. Dazu ist es zeitgemäß zum Einsatz mit Vorsatzgeräten optimiert.
Durch sein Absehen in der 1. Bildebene brauchen Abweichungen bei der Treffpunktlage beim Vergrößerungswechsel nicht befürchtet werden.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis (1.499 €) ist ausgezeichnet. 

Technik auf einen Blick

  • Hersteller: Noblex (Eisfeld/Th.) 
  • Modell: Inception 
  • Vergrößerung: 2,5-20-fach
  • Objektivdurchmesser: 50 mm
    außen: 59 mm
  • Absehen: HMR in 1. Bildebene
    Verstellung: 1 cm auf 100 m
  • Schnellverstellung: ja (mit Zero Stop)
  • Parallaxe-Ausgleich: l. am Mittelrohr 
  • Sehfeld auf 100 m: 14,0 – 2,2 m
  • Augenabstand: 90 mm
  • Mittelrohrdurchmesser: 34 mm
  • Länge: 372 mm
  • Gewicht: 800 g
  • Preis: 1.499 €

Norbert Klups