Neuer Maßstab

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Eine Wärmebildkamera (WBK) zum reinen Beobachten sollte über eine hohe Reichweite, eine 2 - 3fache optische Grundvergrößerung, einen brauchbaren Digitalzoom und natürlich ein sehr gutes, kontrastreiches Bild verfügen. Wenn dazu noch ein Laser-Entfernungsmesser kommt, bleiben keine Wünsche mehr offen. Gibt‘s nicht ? Pulsars neue Accolade 2 LRF XP 50 Pro bietet genau das – und noch viel mehr. Wir haben das neue High-End-Gerät getestet.

Was die Accolade schon auf den ersten Blick von den meisten anderen WBKs unterscheidet, ist ihr binokularer Aufbau. Es sind wie bei einem Fernglas zwei Okulare vorhanden, jedes mit eigener Dioptrieeinstellung (+5 bis -5). Scharfgestellt wird über einen Mitteltrieb. Um den individuellen Augen­abstand genau einzustellen, ist er von 56 bis 71 mm verstellbar. Die Okulare haben Gummiblenden gegen Seitenlicht, die sich für Brillenträger umklappen lassen.
Warum zwei Okulare ? Durch die bino­kulare Konstruktion werden alle Möglichkeiten des menschlichen Auges ausgeschöpft. Im Vergleich zu Monokularen und ähnlichen technischen Voraussetzungen ist damit eine bessere Entdeckung kleiner oder schwach sichtbarer Objekte und eine höhere Effizienz bei der Beobachtung kontrastloser Szenen möglich. Die Beobachtung mit zwei Augen ist natürlich und bringt weniger Ermüdung – ein ganz wichtiger Punkt, wenn man WBKs über längere Zeit benutzt.
Pulsar verbaut bei den Komponenten High-End-Produkte – der Wärmebildsensor (Auflösung: 640 x 480 Pixel) bietet eine hochdetaillierte Abbildung. Auch kleine Objekte wie Zweige oder Blätter werden scharf und klar dem Hintergrund entgegen abgebildet.
Das Full-Color Amoled-Display mit gleich hoher Auflösung bietet eine farblich hoch­ kontrastreiche Abbildung. Vorteil dieser Tech­nologie ist ihr geringer Energieverbrauch und Unempfindlich­keit gegenüber Kälte.
Die Bildwiederholungsrate liegt bei üblichen 50 Hz, der Pixelabstand beträgt 17 µm. 50 Hz Bildwiederholungsrate sind optimal – mehr kann unser Auge gar nicht verarbeiten. Die Noise Equivalent Temperaturdiffe­renz (NETD-Wert/gemessen in Millikelvin) charakterisiert, wie gut ein thermischer Detektor kleine Temperaturunterschiede wahrnehmen kann – je kleiner der Wert, desto besser die thermische Empfindlichkeit. Die meisten Wärmebildgeräte rangieren um einen NETD-Wert von 50 mK. Der gute Wert der Accolade (<25 mK) wird besonders bei ungünstigen Bedingungen mit geringen Temperaturunterschieden wie Regen, Nebel oder einem kalten Morgen deutlich, selbst geringste Temperaturunterschiede werden bei diesen für eine WBK kompliziertesten Umständen noch deutlich sichtbar. Die Detektionsreichweite des Sensor-Chips (exklusiv für Pulsar produziert) liegt bei 1 800 m. Die optische Vergrößerung beträgt 2,5fach und der Objektivdurchmesser 50 mm – ein guter Kompromiss mit einem Sehfeld von 21,8 auf 1 000 m. Dazu kommt ein Digitalzoom mit Vergrößerungen von 5 - 20fach.
Die Farbtonpalette mit  acht verschiede­nen Modi ist üppig, Helligkeit und Kon­trast lassen sich individuell einstellen, wobei sich die Bildschirmhelligkeit erfreulich weit herunterdimmen lässt. Die Accolade verfügt über einen ein­gebauten Foto- und Videorecorder mit 16 GB internem Speicher.

Der Laser-Entfernungsmesser

Besonders im Feld ist es sehr schwer einzuschätzen, ob man ein schwaches Stück auf kurze Distanz oder ein eher starkes Stück, was weiter weg ist, vor hat. In einem externen Laser-Entfernungsmesser kann man das Stück nicht sehen, um es anzumessen. Wenn man nachts auch schießen will, ist die Kenntnis der Distanz aber sehr wichtig – sie entscheidet, ob der Finger gerade bleibt, ein Schuss vertretbar ist oder ob man versucht, die Sauen anzupirschen. Ein integrierter Laser-Entfernungsmesser ist ideal, dieses Problem zu lösen. Die Accolade verfügt über einen mit einer Reichweite von 1 000 m – +/-1 m. Sogar ein Scanmodus ist vorhanden. Beim ersten Knopfdruck erscheint eine weiße quadratische Zielmarke, mit der das Stück anvisiert wird, auf den zweiten wird die Distanz in Meter angezeigt.

Im Revier

Die Accolade wiegt 700 g. Die Maße sind mit 164 x 130 x 64 mm (L/B/H) etwa so groß und schwer wie ein kompaktes 8 x 42-Fernglas.
Die Energieversorgung übernimmt ein 6 400 mAh-Wechsel-Akku, der im RWJ-Test bei sommerlichen Temperaturen neun Stunden reichte – herrschen Minusgrade wird das anders aussehen. Bei Bedarf lässt sich der Akku einfach tauschen, auch ein Micro-USB-Anschluss für eine Powerbank fehlt nicht. Das Kunststoffgehäuse ist robust und sogar wasserdicht. Laut Pulsar hält das Gerät bis zu einem Meter Wassertiefe etwa 30 Minuten stand. Die Kamera kalibriert automatisch oder manuell, wobei die Geräusche nicht besonders laut sind. Eine Kühlkörper-Tafel auf dem Gehäuse verhindert, dass Sensor und andere Komponenten überhitzen, aber auch die Schallempfindlichkeit wird dadurch reduziert.  
Die Startzeit liegt mit acht Sekunden im normalen Bereich. Der Bildschirm lässt sich abschalten und in den Stand-By-Modus versetzen, auf Knopfdruck ist er sofort wieder an. Dadurch verlängert sich die Batterielaufzeit und störende Lichtabstrahlung wird verhindert.
Über ein integriertes WiFi-Modul lässt sich das Gerät mit Android oder iOS- Smart­phone oder Tablets verbinden. Videos und Fotos lassen sich so einfach übertragen. Mit der Pulsar App Stream Vision kann die WBK gesteuert und konfiguriert werden. Ein Update der Firmware ist ganz einfach möglich. Wird die Accolade über ein USB-Kabel an einen PC angeschlossen, wird sie als Speichermedium erkannt und kann leicht ausgelesen werden. Die Bedienung erfolgt über fünf Drucktasten auf der Oberseite: Die linke schaltet An/Aus, ein kurzer Druck versetzt das Gerät in den Stand-By-Modus. Vorn liegt das Bedienelement des Laser-Entfernungsmessers, rechts ist für Foto- und Videoaufnahmen. Hinten befindet sich die Zoomtaste und über die mittlere Taste gelangt man ins Menü.
Die Tasten haben genügend Abstand zueinander und sind auch im Dunkeln gut fühlbar. Damit kommt man intuitiv klar.
Die beeindruckende Bildqualität liegt im High-End-Bereich, was durch das beidäugige Sehen noch verstärkt wird. Auch kleinste Details sind erkennbar und das Bild bleibt sogar im Schwenken ruhig. Die Scharfstellung über den Mitteltrieb ist deutlich bequemer als vorn am Objektiv zu schrauben. Dies ist häufig bei den einäugigen WBKs der Fall.
Der Laser-Entfernungsmesser arbeitet problemlos und präzise. Wir haben ihn bei Tag mit einem Leica LRF verglichen. Die Messwerte waren identisch. Der optische Zoom ist durch den hochauflösenden Detektor gut nutzbar. In der ersten Stufe (5fache Vergrößerung) wird das Bild nur unmerklich pixelig.
Bei Stufe 2 (10fach) wirds deutlich verpixelter, aber in bestimmten Situationen können damit Details noch gut erkannt werden. Der 20fache Zoom spielt allerdings, wegen der massiven Bildunschärfe, in der Jagdpraxis keine Rolle. 
Der Laser-Entfernungsmesser zeigt, wie oft man beim reinen Schätzen, gerade nachts, beim Blick durch eine WBK danebenliegt. Beim Anpirschen einer Rotte Sauen kann man sich genau auf die optimale Schussdistanz heran schieben und geht nicht weiter als unbedingt nötig. Das Beobachten mit beiden Augen hat seine Vorteile. Nach einigen Stunden Einsatz ist es weniger ermüdend und anstrengend als mit nur einem Auge – wer lange ansitzt, wird das schnell schätzen lernen.

Entfernungsmessung in der Nacht wird leicht gemacht

Resümee

Die Accolade 2 LRF XP 50 Pro hängt die Latte bei reinen Wärmebild-Beobachtungsgeräten derzeit unerreichbar hoch – eine binokulare WBK mit einem NETD von <25 mK und Laser-Entfernungsmesser hat kein anderer Hersteller im Programm. Dazu eine Laufzeit von gut neun Stunden mit Wechselakkus und Vollausstattung mit App-Steuerung. Selbst der Preis überrascht positiv: 4 690 € sind für dieses Top-Gerät recht günstig. Leicas Calonox View, mit ähnlich gutem Bild, kostet 4 450 € – einäugig und ohne Laser-Entfernungsmesser.

Fazit – ein High-End-Gerät zum sehr guten Preis, auch wenn dieser für viele Jäger außer Reichweite liegt. Dies sieht jedoch bei vielen Waffen, Pachtpreisen oder Geländewagen nicht anders aus ...

Norbert Klups