Das Maß der Dinge

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Die Entwicklung bei der Wärmebildtechnik geht rasant immer weiter. Die neueste Sensor-Generation verfügt über 1 280 x 1 024 Pixel – mal eben eine Verdopplung des bisherigen Standards von 640 x 512 px. HIKMicro hat so einen Super-Sensor im neuen Habrok Pro HX 60 LN verbaut. Wir waren mit dem Binokular, das wesentlich mehr kann als nur Wärmebilder liefern, ausführlich im Revier unterwegs.

Hikmicro bezeichnet das neue Habrok als Multispektral-Binokular. Vom Aufbau her sieht es aus wie ein Fernglas, also mit zwei Okularen. Jedes verfügt über eine eigene Dioptrien-Einstellung. Scharf gestellt wird vorn am Objektiv, wobei eine Seite für Wärmebild und die andere für den optischen Kanal zuständig ist. Zur Anpassung an die eigenen Augenverhältnisse ist der Abstand der Okulare von 60 bis 74 mm verstellbar, Gummiblenden schützen gegen Seitenlicht. Durch die binokulare Konstruktion werden alle Möglichkeiten des menschlichen Auges ausgeschöpft. Das Gerät verfügt über ein rundes 0,49 Zoll OLED-Display (Auflösung 1 920 × 1 080 px), das eine Darstellung wie bei einem klassischen Fernglas bietet. Trotz des robusten Magnesiumgehäuses wiegt das Habrok nur 1 070 g (mit Akku !) – und ist damit leichter als herkömmliche Ferngläser. Den NEDT-Wert gibt der Hersteller mit weniger als 18 mK an und die Detektionsreichweite mit 3 100 m. Zusätzlich zum Wärmebildsensor (Pixelabstand: 12 µm/Bildwiederholungsrate: 25 HZ) bietet das Gerät einen IR-basierten Nachtsichtkanal (3 840 × 2160 4 K CMOS-Sensor). Zwischen den Objektiven liegt der Infrarot-Aufheller, den man über einen großen Drehknopf fokussiert. Der digitale Nachtsichtkanal liefert bei Dunkelheit bis etwa 100 m sehr gute Bilder. Damit lässt sich ein Bockgehörn sehr gut ansprechen, was der Wärmebildkanal nicht so gut kann, obwohl auch damit die Detail-Erkennbarkeit durch den großen Sensor erstaunlich gut ist. Mit der Fusion-Funktion können Wärmebild- und Nachtsichtaufnahmen gleichzeitig angezeigt werden, was zu sehr interessanten und detailreichen Bildern führt. Der Tageslicht-Sensor hat eine Auflösung von 4K (3 840 x 2 160 Pixel), was bei Bildschirmen der vierfachen Auflösung von Full HD entspricht. Das liefert bei Tageslicht beeindruckend scharfe, farbige Bilder, die schon fast an die Qualität eines guten Fernglases herankommen. Auf ein separates Fernglas kann man ganz gut verzichten, wenn man das neue Habrok dabeihat. Helligkeit und Kontrast lassen sich im Menü individuell einstellen, wobei sich die Bildschirmhelligkeit erfreulich weit herunterdimmen lässt.

Der Laserentfernungsmesser
Ein eingebauter Foto- und Videorecorder verfügt über einen üppigem 64 GB Intern-Speicher – sehr praktisch ist, dass man die Bilder und Videos auch direkt auf dem Display anschauen kann. Besonders im Feld ist es sehr schwer einzuschätzen, ob man ein schwaches Stück auf kurze Distanz vor sich hat oder eher ein starkes Stück, das weiter weg steht. Ein in der Wärmebildkamera eingebauter Laser-Entfernungsmesser (Reichweite 1 000 m/Genauigkeit: +/-1 m) sorgt beim Habrok dafür, dass man immer weiß, wie weit das Stück entfernt ist. Für jagdliche Zwecke sollte das mehr als ausreichen. Sogar ein Scan-Modus ist vorhanden: Beim ersten Knopfdruck erscheint eine weiße quadratische Zielmarke, mit der man das Stück anvisiert, beim zweiten Knopfdruck wird oben rechts im Bild die Distanz in Meter angezeigt. 

Stromversorgung durch Wechselakku
So viel Technik braucht Energie – und die kommt aus einem starken Wechsel-Akku, der eine Laufzeit von bis zu sieben Stunden haben soll. Diesen Wert erreichten wir im RWJ-Test nicht ganz, aber über fünf Stunden waren immer drin, wobei die Temperaturen im Test oft im Minusbereich oder knapp darüber lagen. Erfreulich sind die zwei Akkus im Lieferumfang, sind, was auch für längere Ansitze reichen sollte.

Im Revier
Mit dem gut ein Kilo schweren Multitalent lässt sich noch bequem pirschen. Das Magnesiumgehäuse verfügt an den Griff-Flächen über Gummi-Einlagen und ist ausreichend griffig. Auch die Scharfstellung vorn an den Objektiven (nicht ideal) ist ebenfalls gummi-armiert. Die Startzeit liegt mit etwa sieben Sekunden im normalen Bereich. Sehr praktisch ist die automatische Bildschirm-Abschaltung per Neigungssensor – hängt das Habrok beim Tragen am Hals fast senkrecht, schaltet sich der Bildschirm ab. So verlängert sich die Batterielaufzeit und störende Lichtabstrahlung wird verhindert. Über das integrierte WiFi-Modul lässt sich das Gerät mit Android oder iOS-Smartphones oder Tablets verbinden, Videos und Fotos können so ganz einfach übertragen werden. Die HIKmicro App kann das Gerät auch konfigurieren, Updates der Firmware sind ganz einfach möglich. Wird das Habrok per USB-Kabel an den PC angeschlossen, wird sie aber auch als Speichermedium erkannt und kann so ganz leicht ausgelesen werden. Die Bilder der Wärmebildkamera sind eine Klasse für sich und lassen auch kleinste Details wie feine Äste o. Zweige erkennen. Beim schnellen Schwenken zieht das Bild aber leichte Schlieren, was wohl der eher geringen Bildwiederholungsrate von nur 25 Hz geschuldet ist. Die 2,6fache Grundvergrößerung ist für den Einsatz im Feld okay, im Wald aber zu hoch. Man kann noch auf 5,2 x, 10,4 x und 20fach hochzoomen, wobei 5,2fach noch sehr gute Bilder liefert, danach erkennt man schon, dass man lediglich ins Bild hineinzoomt. Die Bildqualität bei Tag ist beeindruckend und liegt wirklich im HighEnd-Bereich, was durch das beidäugige Sehen noch verstärkt wird. Auch kleinste Details sind erkennbar. Die Grundvergrößerung (5,5fach) kann auf 11, 16,5 und 22fach vergrößert werden – und liefert auch in den hohen Vergrößerungen noch ein sehr gutes Bild. Die Qualitätsverluste sind erstaunlich gering. Das Habrok ersetzt damit sogar noch ein Stativ und ist in dieser Hinsicht einem herkömmlichen Fernglas überlegen. Ein Top-Fernglas liefert zwar noch etwas bessere Bilder, aber das Hikmicro kommt schon sehr nahe daran. Der Laser-Entfernungsmesser arbeitet problemlos und präzise. Mehr als 700 m waren im RWJ-Test nicht realisierbar, jagdlich ist das aber allemal ausreichend. Das Beobachten mit beiden Augen hat klare Vorteile, nach einigen Stunden Einsatz ist es weniger ermüdend und anstrengend, als nur ein Auge zu benutzen. 

Resümee: Das neue Habrok Pro HX 60 LN ist ein Beobachtungsgerät, das sich sowohl tagsüber, als auch bei Dunkelheit einsetzen lässt und alles liefert, was Jäger brauchen – und das verpackt in einem handlichen Gerät. Zum schnellen Finden von Wild ist der Wärmebildkanal ideal, bei Distanzen unter 100 m kann man auf den digitalen Nachtsichtkanal umschalten und hat eine noch bessere Detail-Erkennbarkeit von Objekten, die keine Wärme abstrahlen, wie Geweihe oder Gehörne. Das funktioniert aber bei Regen oder Nebel nicht, da dann der Infrarot-Aufheller nutzlos ist. Die farbigen Digitalbilder bei Tag sind eine Klasse für sich, sauberes Ansprechen am Tag selbst auf große Entfernungen ist kein Problem. Sinnvolle Ergänzung ist der Laser-Entfernungsmesser. Einziger Kritikpunkt ist die magere Bildwiederholungsrate von lediglich 25 Hz. Das Fernglas kann zu Hause bleiben. Beim Preis (5 999 €) mag man schlucken, aber solange die Mitbewerber nichts annähernd Gleichwertiges zu bieten haben, wird sich der kaum ändern. Norbert Klups