Sicherungen durchgebrannt...
Ergänzend zum Schwerpunkt Erntejagd „Neue Spielregeln gelten für alle !“ (RWJ 5-24/S. 12 ff.) möchten wir noch einmal für die Einhaltung elementarer Sicherheits-Vorschriften sensibilisieren.
Schuss ins Knie: Maschinenführer angeschossen
Während der Ernte wurde ein Maisfeld von einer Jagdgesellschaft abgestellt. Weil es im Verlauf der Erntearbeiten zu Verzögerungen beim Abtransport kam, stellte der Häckslerfahrer die Maschine am Rand des teilweise geernteten Feldes ab und stieg aus. Schon bald gesellte sich ein Jäger zu ihm, der dem nächsten Waidmann signalisierte, dass er seine Position verändert.
Kurz darauf flüchtete aus dem noch verbliebenen Maisschlag (100 - 150 m vom Stand des späteren Unglücksschützen entfernt) eine Sau, wendete im nächsten Moment und wechselte zurück in den Schlag. Dabei wurde das Stück beschossen, doch die Kugel verfehlte ihr Ziel, zischte durch die Mais-Stengel und traf auf der anderen Seite des Schlages den Fahrer der Erntemaschine ins Knie. Das Geschoss blieb in der linken Kniescheibe stecken und musste im Krankenhaus von einem Ärzteteam operativ entfernt werden.
Strafverfahren
Das Amtsgericht Detmold verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 € (2 400 €). Das Gericht stützte die Entscheidungsgründe auf ein Sachverständigen-Gutachten, Zeugenaussagen und die Einlassung des Angeklagten, wobei diese durch die Angaben der Zeugen und die Feststellungen des Gutachters widerlegt wurden. So stellte der Sachverständige fest, dass die Kugel weder von einem Hartziel vor der Verletzung abgeprallt sei noch den Wildkörper durchdrungen habe, sondern durch den Mais lediglich verlangsamt worden war, bevor sie das Knie des Landwirts traf. Die Behauptung des Angeklagten, in eine andere als die durch die Beweisaufnahme nachgewiesene Richtung geschossen zu haben, wertete das Amtsgericht als Verdrängungsmechanismus, um das angerichtete Tun zu bewältigen. Es stufte das Verhalten des Klägers als objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig und damit fahrlässig ein, ohne sich allerdings zum Grad der Fahrlässigkeit festzulegen.
Waffenbesitzkarte entzogen
Mit Bescheid vom 30. 1. 2012 widerrief die Behörde die waffenrechtliche Erlaubnis und ordnete an, dass Waffen und Munition bis zum 30. 3. 2012 unbrauchbar zu machen seien bzw. einem Berechtigten überlassen werden müssen. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet.
Dagegen klagte der Betroffene vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Zur Begründung trug er vor, dass er selbst unmittelbar nach dem Ereignis eine Ursächlichkeit zwischen seiner Schuss-abgabe und der Verletzung des Fahrers vermutet habe. Er sei sich nun aber sicher, dass das Wildschwein etwa 7 m aus dem Maisschlag herausgezogen war, als er geschossen habe. Es sei daher naheliegend, dass der Maschinenführer von einem Querschläger oder Abpraller getroffen worden sei. Keinesfalls aber sei ihm Leichtfertigkeit bei der Schussabgabe anzulasten, weil sich seinerzeit keine Person in der Nähe befunden habe. Es seien weder andere Traktorfahrer mit Arbeiten im Schussfeld beschäftigt gewesen, noch habe er geschossen, als der Nachbarschütze, mit dem er sich verständigt habe, auf den Häcksler zugegangen sei. Wenn der Mann durch einen Abpraller seines Schusses verletzt worden sein sollte, sei dies allenfalls fahrlässig, niemals aber leichtfertig geschehen.
Richterliche Bewertung
Mit Urteil vom 17. 8. 2012 (AZ 8 K 1001/12) wies das Verwaltungsgericht Minden die Klage gegen den angefochtenen Widerspruchsbescheid ab. Es folgte dem Urteil des Amtsgerichts Detmold unter Auswertung der Zeugenaussagen und des Gutachtens und ging von der Annahme aus, dass der Kläger in das Maisfeld hineingeschossen hatte u. dadurch der Häckslerfahrer ins Knie getroffen wurde. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass gem. § 45 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG) die Waffenbesitzkarte zu Recht widerrufen wurde, weil der Kläger gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG waffenrechtlich unzuverlässig sei.
Das Gericht hielt dem Kläger vor, dass ihm die Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften bei Gesellschaftsjagden bekannt seien und er wisse, wann man schießen dürfe – und wann einen Schuss zu unterlassen habe. Dementsprechend durfte er nur
- auf einem überblickbaren Schussfeld
- in Richtung eines Kugelfangs schießen, durch den Abpraller oder Fehlschüsse gefahrlos aufgefangen werden konnten.
Das Gericht wertete die Schussabgabe ohne Kugelfang und ohne überblickbares Schussfeld als grobe Achtlosigkeit mit einem gesteigerten Grad von Fahrlässigkeit gegen die Sicherheitsbestimmungen. Allein aufgrund zuvor erfolgter Handzeichen anderer Jäger habe ihm klar sein müssen, dass sich auf der für ihn nicht einsehbaren Seite des Maisfelds Personen befunden hätten. Eine Schussabgabe in Kenntnis dieses Umstandes zeige einen hohen Grad an Gleichgültigkeit im Verhalten des Klägers, der die Möglichkeit, ein Wildschwein zu erlegen, in dem Moment offenbar für so wichtig gehalten habe, dass er naheliegende Sicherheitsbestimmungen zum Schutz von Leib und Leben dritter Personen und eine mögliche Gefährdung der anderen Mitglieder der Jagd und des Traktorfahrers ausgeblendet habe. Daraus schloss das Gericht einen leichtfertigen Umgang mit Waffen. Nach seiner Auffassung rechtfertige dieses Verhalten auch die Annahme, dass der Kläger künftig Waffen leichtfertig verwenden werde. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG war daher zu verneinen, die Waffenbesitzkarte gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen.
Verlust des Jagdscheins
Mit Bescheid vom 30. 1. 2012 erklärte daraufhin die Untere Jagdbehörde den Jagdschein des Unglücksschützen für ungültig und zog ihn ein. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung an, weil nach Erteilung des Jagdscheins Tatsachen eingetreten seien, die eine Versagung begründen würden. Aus dem Fall sei zu schließen, dass der Kläger Waffen und Munition missbräuchlich und leichtfertig verwenden werde. Jeder Gebrauch einer Schusswaffe lege dem Schützen ein gewisses Maß an Vorsicht auf. Durch den leichtsinnigen Umgang mit einer Waffe habe der Kläger er-
kennen lassen, dass er seine Pflichten als Jagdscheininhaber nicht sehr ernst nehme.
Gem. § 18 Satz 1 Bundesjagdgesetz wurde der Jagdschein für ungültig erklärt und eingezogen. Die dagegen ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht Minden eingereichte Klage (AZ 8 K 1002/12) wurde mit Urteil vom 17. 8. 2012 abgewiesen. RA Dr. Walter Jäcker, stv. Justiziar des LJV NRW