Test: RWS Short Barrel
Jagdwaffen werden durch kürzere Läufe zwar führiger, aber dafür sinken Geschwindigkeit und Geschossenergie und das Mündungsfeuer nimmt zu. RWS will diese Nachteile mit der neuen Short-Barrel-Munition vermeiden. Norbert Klups hat die ersten Laborierungen für uns getestet.
Die Läufe der ersten Jagdwaffen für moderne Nitropatronen waren über 70 cm lang. Mit der Zeit nahm die Lauflänge ab, weil Jäger leichtere, handlichere Büchsen bevorzugen – bei Magnums auf 65 und bei Standardkalibern auf 60 cm. Heute sind 56 – 58 cm (Standard) und 60/61 cm (Magnum) üblich.
Als Schalldämpfer endlich gesetzlich zugelassen wurden, war vielen Jägern auch das noch zu lang, da „Flüstertüten“ die Gesamtwaffenlänge deutlich vergrößern – und Läufe bis 45 cm kamen in Mode.
Damit kam man an deutlich spürbare Leistungsverluste, und die Geschoss-Flugbahn verlief wegen niedriger Mündungsgeschwindigkeit sehr im Bogen. Normale Jagdpatronen sind für echte Kurzläufe nicht gedacht – sie werden mit Pulver laboriert, das darin nicht vollständig verbrennt – das herausgeblasene Pulver verursacht vor der Mündung einen großen Feuerball.
In aufgesetzten Schalldämpfern lagern sich unverbrannte Reste ab und verursachen im schlimmsten Fall Korrosion. Wiederlader kennen diese Probleme und laborieren daher Patronen für kurze Läufe mit schnell brennendem Pulver, um Leistungsverluste und Mündungsfeuer in Grenzen zu halten.
Mit gängigen Dosenpulvern kann man das Problem zwar mildern, aber optimal sind sie immer noch nicht, denn mit schnellen Pulvern kommt man dem Höchst-Gasdruck gefährlich nah. Leistungsverlust durch kürzere Läufe lässt sich damit zwar begrenzen, aber die gleiche Leistung wie aus längeren Läufen ist nicht drin.
Jetzt bringt mit RWS ein großer Hersteller spezielle Laborierungen für Kurzläufe auf den Markt. Die immerhin zweijährige Entwicklungszeit macht deutlich, dass es nicht so einfach ist, passende Laborierungen zu entwickeln – für einen schnellen und gleichmäßigen Abbrand mussten Spezialpulver gemischt und speziell auf das neue Pulver abgestimmte Zündhütchen gefertigt werden.
Zwei Laborierungen in .308 Win.
Die ersten Short-Barrel-Patronen gibts in .308 Win. – logisch, denn gerade dieses Kaliber ist für kurze Läufe und Schalldämpfer besonders geeignet: Das bleihaltige Speed Tip wiegt 10,7 g, das bleifreie HIT 9,7 g.
Durch die höhere Geschwindigkeit des HIT wird die wirksame Reichweite des bleifreien Deformators erhöht. Monolithische Geschosse wie das HIT brauchen höhere Zielgeschwindigkeit, um aufzupilzen, als herkömmliche Geschosse mit Bleikern.
Damit bedient RWS sowohl Jäger, die bleifreie Geschosse bevorzugen (oder verwenden müssen), als auch Anhänger konventioneller Geschosse mit Bleikern. Ende 2019 sollen Kaliber wie .30 - 06, 8 x 57 IS, 9,3 x 62 und .300 WM folgen.
Was leisten Short-Barrel-Laborierungen?
Für den Jagdpraxis-Test benutzten wir eine Blaser R8 mit 45- und 58 cm-Lauf. Der kurze Lauf wurde zusätzlich mit einem Overbarrel-Schalldämpfer geschossen. Als Vergleichsmunition dienten Laborierungen mit identischem Geschossgewicht – das 150 grs. HIT Short Barrel wurde mit dem Norma Eco Strike und dem TTSX Barnes Vortex verglichen, als Vergleichsmunition für die 165 grs Speed Tip Short Barrel dienten SST Hornady Superperformance und die Barnes Vortex TTSX.
Gemessen wurde mit einem Lappradar, das die Geschossgeschwindigkeit mit einem Dopplerradar ermittelt. Das handliche Gerät wird einfach seitlich versetzt neben der Laufmündung platziert und zeichnet jeden Schuss zuverlässig auf. Dadurch braucht man nicht mehr durch Lichtschranken zu schießen und kann dazu gleichzeitig ganze Bilder schießen.
Je Laborierung wurde eine Fünfer-Serie geschossen. Die Ergebnisse sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt (Mündungsgeschwindigkeit Mittelwert). Die Messergebnisse zeigen, dass Short-Barrel-Munition aus kurzen Läufen sehr leistungsstark ist, herkömmliche Laborierungen können da nicht mithalten, lediglich Hornadys Superformance (165 grs. SST) kommt ziemlich nahe ran.
Mit aufgesetztem Dämpfer steigt die Mündungsgeschwindigkeit nur geringfügig, Standardlaborierungen legen etwas mehr zu, weil das Pulver fast vollständig im kurzen Lauf verbrennt. Das wird durch geringe Pulverrückstände im Dämpfer auch belegt, bei Normallaborierungen fanden sich durchweg mehr davon.
Short Barrel aus normal langen Läufen bringen dagegen nicht viel – die Mündungsgeschwindigkeit steigt nur wenig, da leisten herkömmliche Laborierungen mehr. Das Mündungsfeuer von Short-Barrel-Patronen ist sichtbar geringer, bei aufgesetztem Dämpfer fällt das aber kaum auf.
Die Präzision der neuen Laborierungen liegt auf normalem Niveau: weder besser noch schlechter als bei herkömmlichen Patronen – jagdlich mehr als ausreichend.
Resümee
Mit der Short Barrel bringt RWS Munition auf den Markt, die aus kurzen Läufen deutlich geringere Leistungsverluste hat. Sie ist genauso präzise wie Standardlaborierungen, hat aber ein deutlich geringeres Mündungsfeuer, was besonders ohne Schalldämpfer auffällt.
Es ist zu erwarten, dass bald weitere Hersteller solche Patronen anbieten werden, denn der Trend zu Kurzläufen ist signifikant. Billig sind die Neuen nicht (HIT: 80 €, Speed Tip: 81 €).