Vergleichstest: Flintenvisiere
Visiere für Flinten gelten bis heute als echte Exoten. Nachdem 2013 eine preiswerte Neuerscheinung auf den Markt kam, schien es uns an der Zeit, mit erfahrenen Flintentrainern die Frage zu klären, wozu die Dinger wirklich in der Lage sind – ein Vergleichstest sollte es zeigen. Aus Jagdpraxis 4/2013.
Schrotschüsse erfolgen mehr instinktiv aus der Bewegung heraus als punktgenau koordiniert wie mit der Büchse. Das Ziel bewegt sich und die Schrotgarbe braucht eine gewisse Zeit bis zum Ziel.
Dazu kommt noch die individuelle Reaktionszeit des Schützens – also die Zeit, die der Abzugsfinger braucht, um den Befehl des Gehirns zur Betätigung des Abzugs umzusetzen.
Die Konsequenz daraus kennen wir alle – die Flinte darf in der Regel nicht aufs Ziel selbst zeigen, sondern muss sich beim Schuss auf einen gedachten Punkt in der Lauf- oder Flugrichtung davor befinden. Wie weit davor – in dieser Antwort liegt die Kunst des Flintenschießens.
Um auch zu treffen, ist zunächst einmal eine perfekte Abstimmung der Flinte auf den Schützen notwendig. Der Schaft muss passen, damit die Laufmündung genau in Blickrichtung zeigt.
Das Jochbein muss immer an der gleichen Stelle den Schaft berühren, damit der Blick über die Schiene – zweite Visiereinrichtung einer Flinte neben dem Korn – stets gleich ist. Das erfordert natürlich auch einen stets gleichen Anschlag.
Sieht man zu viel oder zu wenig Schiene oder liegt das Zielauge nicht korrekt darüber, sondern seitlich daneben, wird Treffen zum Glückspiel – und zwar ganz unabhängig davon, ob man das Vorhaltemaß richtig kalkulierte.
Neben einer richtig geschäfteten Flinte ist damit viel Übung, am besten unter Anleitung eines erfahrenen Schießlehrers notwendig, um die richtige Technik zu erlernen und zu festigen. Wer nur zwei, drei Mal im Jahr zur Treibjagd geht und keine Zeit oder Lust zum Besuch des Wurftaubenstandes hat, darf sich über mangelnde Trefferergebnisse nicht wundern.
Doch geht es nicht einfacher, lässt sich das komplizierte und trainingsintensive Zusammenspiel von Schäftung, Anschlagsgewohnheit und Schützenleistung nicht austricksen, wenn man einfach ein optisches Visier benutzt?
Bei Drückjagden auf Schalenwild wird schließlich auch auf bewegliche Ziele geschossen – und dabei machen Rotpunktvisiere die Sache wesentlich einfacher, Kimme und Korn benutzt heute kaum noch ein Drückjagdschütze.
Solche Gedanken hatte man wohl auch in Schweden – von dort kommen gleich zwei optische Flintenvisiere. EasyHit und Redring versprechen einfache Treffer auch bei nicht optimal passender Flinte und ungeübten Schützen. JAGDPRAXIS ging der Sache mit zwei versierten Schießlehrern auf den Grund.
Redring
Das Redring-Flintenvisier ist eine Entwicklung des skandinavischen Schießlehrers Östergren und wird in Schweden produziert, in Deutschland wird es über den Waffenhersteller Blaser vertrieben. Hier gibt es detaillierte Informationen: Redring Flintenvisier
EasyHit PXS 1000
Vom Visierprinzip verfolgt das EasyHit den gleichen Gedanken wie das Redring, ist technisch jedoch völlig anders aufgebaut. Es hat keine Elektronik und braucht auch keine Batterie. Entwickelt wurde es vom Schweden Kurt Persson und es wird auch in Schweden produziert, erhältlich ist es über Frankonia (Würzburg). Hier gibt es weitere Informationen: EasyHit PXS 1000
Auf dem Schießstand
Um die beiden Flintenvisiere ausgiebig zu testen, haben wir mit den Schießlehrern Detlef Riechert und Marvin Fridriszik die Visiere auf einem Parcoursstand auf mehreren Flinten geschossen. Dazu standen Beretta- und Browning-Bockflinten und eine Selbstladeflinte von Beretta zur Verfügung.
Die Montage war kein Problem – zieht man die Klemmschrauben ordentlich fest, sitzen die Visiere sicher auf den Schienen.
Das hat aber seinen Preis, wie sich zeigte, als die Visiere gewechselt wurden – sowohl die Stahlklemmbacken der Redring-Montage, als auch die Madenklemmschrauben des EasyHit hinterlassen Spuren an den Visierschienen der Flinten – sicher ganz nützlich, um stets den gleichen Aufsatzpunkt zu finden, bei teuren Waffen aber schon ärgerlich.
Zunächst wurde die Treffpunktlage der drei Flinten auf 20 m überprüft, schon dabei zeigte sich ein erstes Problem: Das Redring schoss deutlich zu tief, wenn man es in Höhe des Vorderschaftendes montiert.
Erst als wir das Visier deutlich weiter nach hinten schoben, passte die Treffpunktlage. Durch das Verschieben auf der Visierschiene lässt sich die Höhe des Treffpunktes beeinflussen. Das EasyHit ließ sich etwas weiter vorn anbringen. Diese Tendenz zeigte sich bei allen drei Testwaffen.
Versuche mit schräg gehaltenem Kopf (also mit seitlichem Einblick) zeigten, dass beide Visiere wirklich parallaxefrei sind. Die Treffpunktlage der Schrotgarbe veränderte sich nicht, wenn der rote Ring optisch am Rand des Displays lag.
Solange der Ring sichtbar ist, trifft die Garbe, ist kein Ring zu sehen, liegt man mit dem Anschlag völlig daneben. Ein Vorteil optischer Ringvisiere zeigte sich sofort – unabhängig von der Augendominanz des Schützen kann mit beiden Augen offen geschossen werden.
Zunächst wurden die drei Testflinten zur Gewöhnung ohne Visier geschossen, dann kam die Optik drauf. Dabei zeigte sich, dass es sehr schwierig ist, rote Wurftauben mit dem roten Zielring in Einklang zu bringen.
Das fiel besonders beim EasyHit auf, das mittig im Ring noch einen roten Punkt hat. So viel Rot vor Augen irritiert schon etwas. Der rote Ring des Redrings ist deutlicher zu sehen als der des EasyHit.
Vom Schützen wegfliegende Trap-Tauben oder auf einen zufliegende Scheiben waren relativ leicht zu treffen. Wurden sie vom Ring eingefangen, traf die Garbe auch. Wenn Vorhaltemaß erforderlich ist, wirds schon schwieriger.
Das eigentliche Problem ist aber wohl, dass optische Visiere dazu verleiten, zu zielen – das kostet Zeit. Viele Wurftauben waren längst außer Reichweite, bevor unsere Tester den Abzug betätigten …
Das Auge wandert zunächst zum Zielring und erst dann in die Flugbahn der Taube. Ein ganz anderes Problem zeigte sich, als es plötzlich zu regnen begann. Schnell war Schluss mit Schießen – nicht weil unsere Testmannschaft wasserscheu war, sondern weil die Scheiben der Visiere voller Regentropfen und die roten Zielringe kaum noch erkennbar waren.
Das Redring ist bei Regen etwas besser, weil seine Scheibe geschützter ist und weiter zurückliegt. Problematisch wurde es auch, als wir die Visiere von den Flinten entfernten und einige Runden wie gewohnt schossen. Die Trefferzahlen waren deutlich schlechter.
Die Schießlehrer erkannten das Problem sofort – das etwas höher über der Schiene liegende optische Visier hatte unmerklich zu einem veränderten Anschlagsverhalten geführt, der Jochbeinknochen lag jetzt nicht mehr richtig am Schaft an. Als das korrigiert war, zerplatzten die Tauben wieder wie gewohnt.
Im Revier
Beim Wurftaubenschießen konnten die optischen Flintenvisiere also wenig überzeugen. Um zu sehen, wie sie sich bei der Jagd schlagen, wurden sie zur Niederwildjagd eingesetzt – im Großen und Ganzen bestätigten sich dabei die Erfahrungen vom Jagdparcours.
Wird gezielt geschossen (etwa auf Tauben im Baum oder sitzende Kaninchen), ist das Treffen sehr einfach. Dazu braucht man aber auch sicher kein Visier auf der Flinte.
Alle Ziele, die gerade auf den Schützen zukommen oder sich entfernen, sind ebenso sicher zu treffen.
Wer so schlecht mit der Flinte schießt, dass er Probleme hat, solch einfache Ziele über Laufschiene und Korn zu treffen, kann von einem optischen Flintenvisier profitieren. Dem sicheren Flintenschützen bringen sie dagegen keine Vorteile, im Gegenteil – sie verhindern schnelle Schnappschüsse.
Im Revier war der Kontrast deutlich besser als auf dem Wurftaubenstand. Das Redring ist aber auch hier besser als das EasyHit – besonders in der Dämmerung wirkt der rote Zielring des batterielosen Visiers sichtbar matter als beim elektronischen Redring, das die Leuchtkraft automatisch anpasst.
Punktewertung
Bewertet haben wir die technische Qualität der Visiere, nicht ihre Brauchbarkeit in der Jagdpraxis. Wir haben daher nur Schussfestigkeit, Parallaxfreiheit, Bedienkomfort, Bedienqualität und Preis-Leistungs-Verhältnis bewertet.
Beide Visiere erwiesen sich als schussfest – selbst mit Magnumpatronen (Vorlage 63 g !).
Auch die Parallaxfreiheit ist nicht zu beanstanden. Dabei bekommen beide Visiere die volle Punktzahl. Der Bedienkomfort ist schwierig zu bewerten, denn beim EasyHit kann man nichts bedienen – mehr als Montieren und Durchschauen geht nicht. Im Prinzip gehts kaum komfortabler, daher hier volle Punkte für das EasyHit.
Auch das Redring lässt sich auf Automatikmodus einstellen und verlangt dann keine andere Bedienung mehr als es ein- und auszuschalten. Ein Punktabzug ist daher bei beiden Visieren nicht gerechtfertigt.
Bei der Bildqualität hat das Redring die Nase vorn. Es ist besonders bei Gegenlicht und in der Dämmerung besser als das batterielose EasyHit. Optimal ist es aber auch nicht, wie sich bei orangefarbenen Wurfscheiben zeigte. Die Tester gaben dem Redring 16 von 20 Punkten und dem EasyHit 12.
Die Treffpunktlage ließ sich bei beiden Visieren mit der Schrotgarbe in Deckung bringen. Das Redring musste dazu auf der Visierschiene verschoben werden, das EasyHit hat Stellschrauben zur Höhenjustierung.
Das hat den Vorteil, dass man das Visier dort auf der Schiene platzieren kann, wo man es will. Sehr komfortabel ist die Einstellung aber nicht – das EasyHit bekommt
daher 7 von 10 und das Redring nur 5 Punkte.
Beim Preis-Leistungs-Verhältnis geht die Bewertung weit auseinander – 710 € für das Redring sind schon sehr heftig. Dafür gab es nur fünf von 20 Punkten. Trotz der guten Qualität ist das viel zu teuer, verglichen etwa mit einem Top-Rotpunktvisier wie dem Aimpoint, das eine komplette Absehenverstellung besitzt und deutlich günstiger ist.
Das EasyHit ist mit unter 200 € wesentlich käuferfreundlicher. Es ist natürlich auch deutlich einfacher gehalten, erfüllt aber auch seinen Zweck. Dafür gab es 15 von 20 Punkten.
Die Endabrechnung sieht damit so aus:
Das EasyHit liegt mit 84 Punkten und der Bewertung gut (zwei JAGDPRAXIS-Lupen) deutlich vorn. Das Redring ist zwar technisch überlegen, kommt aber an das EasyHit und dessen Preis-Leistungs-Verhältnis lange nicht ran.
Wer wirklich glaubt, ein optisches Visier auf der Flinte zu brauchen, findet da eine preiswerte Lösung.
Fazit
Auf die Praxis bezogen, können wir nach unserem aufwendigen Test nur empfehlen, sein Geld lieber für einen Schießlehrer auszugeben, um zu lernen, wie man mit der Flinte ohne Optik richtig umgeht.