Niederländische Profis helfen auch diesseits der Grenze!
Im Rahmen des deutsch-niederländischen Pilotprojekts „Grenzüberschreitender Nutria-Fang“ bekämpfen niederländische Nutria-Fänger seit 2018 auf einem Abschnitt entlang der Grenze die invasive Art auch in Deutschland.
Hintergrund ist, dass sich die Nutria-Population überall stark ausbreitet und für große Schäden besondere an Hochwasserschutz-Deichen entlang der Flüsse sorgt. In den Niederlanden ist der Fang von Nutria und Bisam anders als in Deutschland gesetzliche Aufgabe der sogenannten Waterschappen, die von hauptberuflichen Fängern übernommen wird. In Deutschland übernehmen dies ehrenamtliche Beschäftigte der Wasser- und Bodenverbände.
Ziele des Projekts sind die Reduzierung der Bestände und der Erfahrungsaustausch zwischen Ehren- und Hauptamt. Wasser macht an den Grenzen keinen Halt und auch Nutria – ursprünglich aus Südamerika stammende Nager – scheren sich nicht um Landesgrenzen. Sie leben im und am Wasser ... und graben Höhlen in Uferböschungen und Deiche.
Pilotprojekt startete 2018
Kommt es im Westmünsterland zu einem Bruch, hat das immer auch Folgen für das Nachbarland. Daher ist beim Gewässerschutz eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit besonders wichtig. Eine Kooperation mit den niederländischen Nachbarn startete der Kreis Borken im Frühjahr 2018 – das deutsch-niederländische Pilotprojekt Grenzüberschreitender Nutriafang.
In Vreden unterzeichneten alle beteiligten Projektpartner die Vereinbarung dazu, auf niederländischer Seite die Waterschappen Rijn en IJssel und Rivierenland, wo das Bisam-Management (Muskusrattenbeheer) angesiedelt ist, auf deutscher Seite neben dem Kreis Borken die Wasser- u. Bodenverbände Ellewicker-Crosewicker Feld, Unteres Berkelgebiet und Unteres Aagebiet/Wittes Venn.
Das Projekt war zunächst für zwei Jahre geplant, wurde aber nicht zuletzt durch die Covid-Pandemie unbefristet verlängert.
Im Rahmen des Projekts bekämpfen niederländische Profi-Fänger auf einem rund 20 km langen Abschnitt entlang der Grenze Nutrias und Bisame.
Nutrias sind eine weit verbreitete invasive Nagetierart. Sie können über 10 Jahre alt, bis zu 9 kg schwer und 65 cm lang werden (+45 cm Schwanz) und gefährden durch ihre Ausbreitung die biologische Vielfalt, andere Tier- und Pflanzenarten und so auch heimische Ökosysteme.
Als negative Auswirkungen gelten besonders Fraßschäden an der Unterwasser- und Ufervegetation (Großmuschel-, Röhricht- und Wasserpflanzenbestände) und landwirtschaftlichen Feldfrüchten. Zudem richten Nutrias große wasserbauliche Schäden an – Gänge ihrer Wohnhöhlen in Uferböschungen durchbohren oder unterhöhlen auch Deiche. Dadurch können Uferböschungen einstürzen oder abrutschen, im schlimmsten Falle werden Hochwasserschutzdeiche wasserdurchlässig oder komplett instabil. Die Tiere stellen somit eine Gefahr für die Gewässerunterhaltung und den Hochwasserschutz dar.
Auch auf europäischer Ebene misst man der problematischen Ausbreitung der Nager große Bedeutung bei: Durch eine EU-Verordnung (Nr. 1143/2014) zählen Nutrias offiziell zu invasiven Arten, für die Managementmaßnahmen erforderlich sind. Diese sehen eine Eindämmung der Weiterverbreitung der Art vor.
Für die Niederlande ist die Bekämpfung der Nutrias existenziell – große Teile des Landes liegen unter oder nur knapp über dem Meeresspiegel – daher die ungezählten Deiche in unserem Nachbarland.
Ein Riesenproblem stellen besonders aus der deutschen Grenzregion einwandernde Nutrias dar.
Die Wasserverbände in den Niederlanden (Waterschappen) beschäftigen landesweit rund 500 (!) hauptamtliche Bisam- und Nutriafänger, in NRW übernehmen dies ehrenamtliche Beschäftigte der Wasser- und Bodenverbände, die eine Sachkundeschulung des Kreises Borken besucht haben und eine Prämie von den Verbänden und vom Kreis für jeden Fang erhalten.
Niederländische Fänger in deutschen Jagdrevieren?
Zu Beginn des Projekts gab es bei den fünf bis sechs betroffenen Pächtern der münsterländischen Jagdreviere durchaus mehr Fragen als Antworten: Bewaffnete, die aus Fahrzeugen mit gelbem Nummernschild steigen und in „fremdem Revier“ unterwegs sind, lösten nachvollziehbar keine reflexartigen Begeisterungsstürme unter deutschen Jägern aus, erinnert sich der Vredener Hegeringleiter Antonius Bengfort im Gespräch mit dem RWJ.
Doch heute, fünf Jahre nach dem Start, sieht das völlig anders aus.
Bengfort: „Wenn unsere Jagdpächter holländische Profis im Revier treffen, tauscht man sich aus und die Münsterländer Jäger geben den Nutria-Experten aus dem Nachbarland Tipps zu neuen Fallen-Standorten – ein besseres Zeichen für die gelungene Zusammenarbeit kann man sich kaum vorstellen!“
In Deutschland ausschließlich mit Lebendfangfallen
Während auf deutschem Gebiet ausschließlich Lebendfangfallen mit elektronischem Fangmelder verwendet werden dürfen, werden in den Niederlanden die meisten Bisame und Nutrias mit Totfang-Systemen (Schlag-, Conibear- und Ertrinkungsfallen) erbeutet.
Die Regierung in Den Haag hat die Devise ausgegeben, die beiden Arten bis 2035 im gesamten Staatsgebiet auszurotten (!) – einzige Ausnahme: die Region entlang der deutschen Grenze, von wo aus die beiden Arten bis in die jüngste Vergangenheit nahezu unkontrolliert in die Niederlande nachrückten („Fass ohne Boden“).
Projektdetails
Neben den beteiligten Partnern waren in die Vorbereitungen des Projekts auch Jagdeigentümer, -pächter und -genossenschaften im Projektgebiet, die Kreisjägerschaft Borken und die Biologische Station Zwillbrock eingebunden. Zudem galt es, die notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen, damit die niederländischen Fänger auf deutschem Grund arbeiten können.
Alle niederländischen Nutriafänger sind ausgebildete Jäger mit Ausländerjagdschein und erfolgreicher Teilnahme an der Sachkundeschulung Bisam-und Nutriafang im Kreis Borken.
Der Kreis Borken, so betonte Abteilungsleiter Friedel Wielers, sei gegenüber den beteiligten deutschen Jagdrevieren zwar eigentlich eine hoheitliche Aufsichtsbehörde, habe sich aber von Beginn an als Partner der Jäger verstanden. Wielers: „Ohne ausdrückliche Zustimmung der Revierpächter hätten wir diese sicher nicht zur Duldung der niederländischen Nutria-Fänger verdonnert.“
Vergleichbare Zusammenarbeit bisher nur im Kreis Kleve
Ein vergleichbares Projekt existiert in NRW entlang der Grenze zu den Niederlanden bislang nur im Kreis Kleve. Perspektivisch, so Friedel Wielers, der auch in EU-Gruppen zu Rheinwasser-Fragen mitarbeitet, ist allerdings geplant, die Aktivitäten der niederländischen Fallen-Profis auf den gesamten Grenzraum NL - NRW auszuweiten – auf deutscher Seite also in NRW in den Kreisen Aachen, Heinsberg, Viersen, Kleve, Wesel und Borken.
Zukünftig wird es dabei aber nicht nur um das Töten von Nutria, Bisam und Wanderratten gehen, sondern auch um ein wertvolles Monitoring ganz anderer Arten wie Biber oder Fischotter.
Tötung mit einfacher Luftpistole
Während man in Deutschland nach Jagdrecht gefangene Tiere in der Größe eines Nutrias ausschließlich mit entsprechenden Kleinkaliber-Waffen (.22 lfB/.22 Mag.) töten darf, setzen die niederländischen Profis auf Luftpistolen: Während man in den Niederlanden dazu auch Kompressorwaffen (über 20 Joule Auftreff-Energie/frei verkäuflich!) einsetzen darf, kommen bei den „Grenzgängern“ nur ganz normale Luftpistolen (oberes Foto/7,5 Joule) zum Einsatz – allerdings mit speziellen Diabolos mit Kunststoff-Spitze (Foto darunter). Wie sich beim RWJ-Termin an der Berkel zeigte, verenden Nutria und Bisam damit schlagartig – hocheffektiv u. tierschutzgerecht!
Die Kehrseite der Medaille
In jüngster Vergangenheit kommen auf der niederländischen Seite entlang der Grenze zum Kreis Borken leider immer wieder solche Bisame zur Strecke. Einzige Erklärung – die Tiere wurden in Deutschland schon einmal gefangen, der Schwanz amputiert (= in D Grundlage für Prämien-Auszahlung) ... und anschließend nicht getötet, sondern wieder freigelassen!!! Diese ganz aktuelle Entwicklung löste bei den deutschen Vertretern (Jäger, Boden- u. Wasserverbände, Kreisverwaltung Borken) auf dem RWJ-Termin Entsetzen, Kopfschütteln und Abscheu aus. Einhellige Meinung – eine solche Tierquälerei führt das gesamte Pilotprojekt ad absurdum – und muss unbedingt gestoppt werden!
Autor: Matthias Kruse