Der nächste Geradezug-Repetierer

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Der nächste Geradezug-Repetierer

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Jetzt stellt auch der deutsche Hersteller Haenel aus Suhl mit der Jaeger NXT einen Geradezug-Repetierer vor. Wir haben uns die neue Büchse genau angesehen.

Der Verkaufsanteil von Geradzug-­Repetierern bei Neuwaffen steigt ständig und hat mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht. Besonders bei Drückjagdschützen erfreuen sie sich steigender Beliebtheit, denn sie unterliegen im Gegensatz zu Halbautomaten keiner gesetzlichen Beschränkung der Magazin­kapazität und haben gegenüber normalen Repetierern eine schnellere Schussfolge – wenn man mit seiner Waffe umgehen kann.
Die Auswahl an Geradezug-Repetierern ist heute erfreulich groß und zieht sich durch alle Preisklassen, wobei es schon bei etwa 1 500 € losgeht.
Bringt ein Hersteller ein ganz neues Modell auf den Markt, ist es meist ein Geradezugrepetierer – allein im letzten Jahr kamen internationale „Dickschiffe“  wie Savage und Beretta hinzu, die bisher keine solche Waffe im Programm hatten.


Jaeger NXT (sprich: next)

Der erste Verdacht, Haenel würde eine abgespeckte Helix-Variante der Mutterfirma Merkel auf den Markt bringen, erwies sich als unbegründet – die NXT ist ein völlig neu konstruiertes Gewehr und bietet einige technische Innovationen. Das fängt beim Verschluss an und hört beim Schaft auf. Der patentierte Torsions­verschluss ist im Prinzip ein klassischer Zylinderverschluss, der mit drei großen Verschlusswarzen verriegelt, ein Anheben und Absenken des Kammerstängels zum Repetieren ist aber überflüssig.
Die Drehung des Verschlusszylinders erfolgt über ein Kegelgetriebe, das die Kammer zwangsgesteuert in eine Drehbewegung versetzt und so den Eintritt der Verschlusswarzen in die Verriegelungsnuten im Hülsenkopf bewirkt.
Dabei wird die ganze Kammer gedreht, also nicht etwa nur der Verschlusskopf. Die neue Jaeger ist ein Handspanner und gespannt wird hier über den Kammergriff – bekannt schon von Blasers alter SR 850 oder der Heym SR 30. Drückt man den Kammergriff in verriegelter Endstellung noch ein kleines Stück weiter, bis er einrastet, ist das Schloss gespannt. Dazu wird sehr wenig Kraft benötigt, da der Kammergriff einen großen Hebel zur Verfügung stellt – und mit der ganzen Hand gespannt wird, also nicht nur mit dem Daumen wie bei den meisten Handspannern. Am Ende des Schlösschens liegt der Kammersperrhebel – mit drei Positionen:
Links liegt die Entladestellung, bei der sich der Verschluss in ungespanntem Zustand öffnen lässt, mittig (rot gekennzeichnet) die Feuerposition und ganz rechts ist der Kammergriff in der Sicherungsstellung blockiert. In dieser Stellung ist auch ein Spannen durch Vordrücken des Kammer­stängels nicht mehr möglich – in unwegsamem Gelände sicher sehr sinnvoll, denn über den großen, exponierten Kammer­stängel spannt sich das Schloss sonst auch unbeabsichtigt sehr schnell. In die Systemoberseite des Stahlverschluss­gehäuses sind serienmäßig Nuten für eine Picatinny-Schiene eingefräst – preiswerte Montagen sind damit ein Kinderspiel. 
Das 5-Schuss-Einsteckmagazin komplett aus Kunststoff verfügt über einen Schulterstopp. Sein Auslöseknopf liegt versenkt direkt vor dem Magazin in der Bodenplatte. Als Besonderheit lässt sich dieser sperren, wenn man ihn nach links drückt – in dieser Position kann er nicht mehr nach hinten gezogen werden, das Magazin ist verliersicher arretiert. Der trocken stehende Direktabzug soll laut Hersteller bei 1 000 g auslösen – wir haben nachgemessen und waren beeindruckt. Die Abzugswaage zeigte exakt 1 000 g an ...

Optimierter Lauf für bleifreie Munition

Die neue NXT ist zunächst ausschließlich in den Standard­kalibern .308 Win. und .30 - 06 erhältlich.
Die Lauflänge beträgt 51 cm bei einem Mündungsdurchmesser von 18 mm, serienmäßig mit Mündungsgewinde M 15 x 1.
Das Laufmaterial aus Suhler Produktion ist kalt geschmiedet, das Laufinnere unserer Testwaffe war gut poliert und ließ sich leicht reinigen.
Der freischwingende Lauf ist mit einem sehr guten Fluchtvisier ausgestattet – die schräg gestellte Kimme mit U-Ausschnitt und drei gelben Dämmerungspunkten harmoniert gut mit dem roten Leuchtkorn.
Letzteres ist höhenverstellbar, die Kimme kann seitlich in der Schwalbenschwanzführung verschoben werden.
Die Nutzung eines Overbarrel-Schalldämpfers ist kein Problem, denn der Kornträger lässt sich nach Lösen einer Inbusschraube einfach abnehmen.
Die RWJ-Testwaffe in .308 Win. war mit einem für bleifreie Munition optimierten Lauf ausgestattet, Haenel nennt das Green Barrel. Das Zug-Feld-Profil sowie der Übergang des Patronen­lagers in den Lauf wurde für bleifreie Munition speziell optimiert. Diese Laufform gibts aber derzeit nur für die .308 Win., bei der .30-06 kommt ein herkömmliches Laufprofil zum Einsatz.

Innovativer Schaft

Die NXT kommt mit einteiligem Holzschaft mit geradem Rücken ohne Backe, abgeschlossen von einer dicken Gummikappe. Der Pistolengriff ist beidseitig leicht verdickt, sodass der Schaft auch für Linkshänder voll nutzbar ist.
Er ist aber nicht aus Nussbaumholz, sondern es handelt sich dabei um einen FSC-zertifizierten Compound-Schaft.
FSC (Forest Stewardship Council) ist ein internationales Zerti­fizierungssystem für nachhaltige Waldwirtschaft, das Holz kommt aus Wäldern, die verantwortungsvoll bewirtschaftet werden.
Für den Schaft der NXT wird schnell wachsendes Birkenholz verwendet, das in einer speziellen Schichtholztechnik miteinander verbunden wird, die auch beim Bootsbau Verwendung findet. Über Probleme mit Feuchtigkeit wird man sich da wohl kaum Gedanken machen müssen. Birkenholz ist sehr leicht, was erheblich zum geringen Gewicht der NXT beiträgt. Haenel gibt 3,2 kg an, unsere Testwaffe brachte sogar nur 3,1 kg auf die Waage.
Pistolengriff und Vorderschaft sind mit einer Punzierung wie bei Matchwaffen rutschfest gemacht. Eine scharfe Fischhaut zu schneiden, wäre bei einem Schichtholzschaft (erst recht aus Birke) auch kaum möglich. Aber auch die Punzierung bietet der Hand sehr guten Halt, ist billiger herzustellen und v. a. nicht so empfindlich wie eine Fischhaut.
Das System ist direkt in den Schaft gelegt, eine Bettung aus Kunststoff gibt es nicht. Der Rückstoßstollen greift in eine Einfräsung des Schaftes – bei Schichtholz kann man das so machen, da ein Verziehen durch Feuchtigkeit nicht zu erwarten ist. 
Daneben ist die NXT auch in einer zweiten Schaftvariante speziell für Frauen und kleinere Männer zu haben – dabei sind Schnitt (mit Monte-Carlo-Rücken) und Pistolengriff ergonomisch auf kleinere Körpergrößen ausgelegt, bekannt schon von Haenels Jäger 10.
Nicht nur der Schaft ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt, sondern auch alle Kunststoffteile entstehen aus nachhaltigem Harz-Cellulose-Verbundmaterial.

Auf dem Schießstand

Die RWJ-Testwaffe war mit einem Zeiss Conquest 1,1 - 6 x 24 auf einer Dentler-Montage ausgestattet – ideal für Drückjagd und Schießkino.
Für den Präzisionstest kam noch ein Zeiss 6 - 24 x 56 dazu, ebenfalls auf einer Dentler-Montage. Im Kino konnte die NXT überzeugen, sie lässt sich leicht und schnell repetieren, der Verschluss wird sauber geführt, Patronenzufuhr und Auswurf der leeren Hülsen erfolgen störungsfrei.
Die Büchse ist durch den Lauf mit 18 mm Mündungsdurchmesser leicht kopflastig und schwingt gut – ein Effekt, der sich mit aufgeschraubtem Schalldämpfer natürlich noch verstärkt. Beim Repetieren muss man sich zunächst angewöhnen, den Kammerstängel am Ende noch ein Stück weiter nach vorn zu drücken, um das Schloss zu spannen. Hat man sich an Geradezugmodelle gewöhnt, die nicht nach jedem Schuss über den Kammerstängel, sondern automatisch am Ende des Repetiervorgangs gespannt werden (Blaser R 8, Merkel Helix oder Steel Action), bedarf das einer Umstellung. Nach einiger Zeit geht es aber in Fleisch und Blut über.
Die Kammer kommt beim Repetieren bis etwa zur Nase des Hinterschafts heraus, im normalen Anschlag landet man damit noch gut 4 cm vor der eigenen Nase (bei einem ZF mit etwa 9 cm Augenabstand) – flüssiges Repetieren im Anschlag ist damit kein Problem.
Für den Präzisionstest benutzten wir bleifreie Laborierungen, auf der 100 m-Bahn zeigte die NXT die beste Präzi­sion mit Gecos preiswerter Zero (136 grs.)., der 5-Schuss-Streukreis lag bei 18 mm.
Hornadys ELD-X (178 grs.) schoss mit 21 mm ebenfalls sehr präzise, auch mit Normas Ecostrike (150 grs.) war ein 21 mm Streukreis machbar.

Resümee

Der neue Geradezug­repetierer aus deutscher Produktion unterscheidet sich erheblich von bishe­rigen Modellen, v. a. von den letzten Neuvorstellungen (Beretta/Savage).
Auf eine Laufwechselmöglichkeit hat man verzichtet, statt eines Kunststoffschaftes gibts Holz, ein tolles Fluchtvisier ist auch vorhanden.
Mit Handspannung und Einsteck­magazin ist die NXT zeitgemäß ausgestattet, durch die Picatinny-Schiene sind preisgünstige Montagen möglich.
Am Abzug gibts nichts zu meckern und ein Mündungsgewinde ab Werk ist auch vorhanden. Die Magazinsperre kann sehr nützlich sein.
Die Kaliberauswahl ist noch sehr klein, aber das wird sich sicher bald ändern – eine solide, deutsche Waffe mit einigen interessanten technischen Innovationen.  

1 999 € ruft Haenel für die Jaeger NXT auf – deutlich weniger als für High-End-Repetierer von Blaser, Strasser und Merkel, aber teurer als Beretta, Savage oder eine Heym SR 30, die zur Zeit für 1 480 € (Ranger) angeboten wird. Nachhaltigkeit will eben auch bezahlt sein ...
 

Norbert Klups