Tschechischer Mischling mit Potenzial
Das SPCE ist seit vielen Jahren das „Brot-und-Butter“-Geschoss von Sellier & Bellot – enthält allerdings Blei. Ein bleifreies Geschoss hat der tschechische Hersteller auch im Programm. Mit dem Edge werden die besten Eigenschaften der beiden Welten vereint – wir haben das Neue in Theorie und Praxis ausführlich getestet.
Das SPCE wird von vielen Jägern als wirkungsvolles und preisgünstiges Jagdgeschoss geschätzt und ist auch beliebt wegen seines Scharfrands, der kreisrunde Löcher in Decke oder Schwarte stanzt, die sich nicht so schnell zusetzen und für Schweiß auch aus dem Einschuss sorgen. Dazu findet man am Anschuss oft auch Schnitthaar, das Aufschluss über den Treffersitz gibt.
Das alte bleifreie Exergy hatte keinen Scharfrand und eine mit einer Alu-Kappe abgedeckte Hohlspitze. Das Kupfergeschoss pilzt in fünf Fahnen massestabil auf. Mit dem Exergy Edge geht S & B neue Wege: Sein Tombak-Geschoss pilzt zwar ebenfalls in fünf Fahnen massestabil auf, verfügt aber über eine neu gestaltete Hohlspitze mit ballistischem Kunststoff-Einsatz. Ob das außenballistische Wirkung hat, darf allerdings bezweifelt werden, denn jeder Scharfrand verschlechtert den ballistischen Koeffizienten drastisch – als Weitschussgeschoss ist das Exergy Edge also auf keinen Fall entwickelt worden.
WARUM TOMBAK?
Bleifreie Tombak-Geschosse haben durchaus Vorteile: Zum Einen sind die Reinigungsintervalle gegenüber Reinkupfer-Geschossen deutlich länger. Wer preiswerte Blei-Übungsmunition mit Tombakmantel im Wechsel verwendet, spart sich dazu die aufwändige chemische Reinigung beim Rückwechsel auf Kupfer. Ein bleifreies Tombak-Geschoss ist aber noch kein Alleinstellungsmerkmal – auch Hornady GMX und CX, Nosler E-Tip, Winchester 95/5 oder Federal Trophy Copper bestehen aus Tombak. Wir konnten im RWJ-Test nach 60 verschossenen Patronen keine größeren Lauf-
ablagerungen feststellen als bei bleihaltigen Tombakgeschossen. Auch der Wechsel von preiswerter Übungsmunition (etwa S & B Vollmantel) war kein Problem – Treffpunktlage und Präzision der Exergy Edge änderten sich nach dem Rückwechsel nicht.
GESCHOSS-AUFBAU
Das Exergy Edge hat eine sehr tiefe Hohlspitze, die sich im unteren Bereich noch mal erweitert und eine Kammer bildet. Der Geschosskörper ist innen vorgekerbt, um eine saubere Fahnenbildung zu ermöglichen. Ein roter Kunststoffpfeil verschließt die Hohlspitze. Im vorderen Drittel ist der Körper als Scharfrand ausgebildet, die Hohlspitze reicht aber deutlich tiefer. Wie die meisten modernen monolithischen Geschosse arbeitet auch S & B bei Exergy mit der sog. Führband-Technik: Das Geschoss gleitet im Lauf über schmale Führbänder, um den Einpressdruck zu senken. Es ist so konstruiert, dass es unmittelbar nach dem Einschlag expandiert und seine charakteristische Pilzform annimmt. Ohne Materialverlust soll es dann einen kraftvollen Schock-Effekt auslösen und eine sehr hohe Tiefenwirkung entwickeln. Das Exergy Edge entsteht im Press-Verfahren.
PRÄZISION UND BESCHUSS VON BALLISTISCHER SEIFE
Für den Präzisionstest wurden Sellier & Bellot Patronen in .30-06 verwendet, die aus zwei Repetierern (Blaser R 8/Merkel Helix) verschossen wurden. Bei beiden Waffen zeigte sich eine sehr gute Präzision von 22 und 28 mm (fünf Schuss auf 100 m aus dem Schießgestell). S & B gibt für das 165 grs-Geschoss eine Mündungsgeschwindigkeit von 849 m/sec an. Aus dem 58 cm-Lauf der Blaser R 8 haben wir 821 m/sec gemessen. Wie bei RWJ-Geschoss-Tests üblich, beschossen wir aus 50 m zwei hintereinander gestellte Blöcke aus ballistischer Seife u. fingen die Geschosse dahinter in nassem Papier auf. Das Geschoss macht gleich nach dem Eindringen auf und bildet eine sehr große Kaverne. Danach durchschlug es relativ geradlinig beide Blöcke und drang sehr tief ins Papier ein. Das ursprünglich 165 grs schwere Geschoss hatte ein Restgewicht von 162,2 grs und einen Kopfdurchmesser von 16,8 mm. Es findet kaum Masseverlust statt und das Geschoss pilzt bis über den doppelten Kaliber-Durchmesser auf – und zwar bis auf den Boden der Hohlspitze, die fünf Fahnen liegen mit ihren Spitzen am Geschosskörper an.
WIRKUNG AUF WILD
Auf Rehe zeigte das Exergy Edge eine sehr gute Wirkung, die meisten Stücke lagenam Anschuss oder nach weniger als 20 m Fluchtstrecke. Die Wildbret-Entwertung hielt sich in Grenzen und war deutlich geringer als beim bleihaltigen SPCE. Sauen wurden mit der RWJ-Testmunition hauptsächlich bei Drückjagden erlegt – auf jagdbedingt kurze Distanzen zwischen 15 und 60 m. Auch dabei war die Wirkung gut, auch wenn kaum ein Stück am Anschuss lag – was aber bei Drückjagden generell eher Regel als Ausnahme ist. Bei Kammerschüssen waren die Fluchtstrecken jedoch kurz: es fand sich reichlich Schweiß, den meisten Stücken konnte man ohne Hund auf der Schweißfährte folgen. Rotwild (Tier und Kalb), das vom Ansitz aus mit Kammerschüssen erlegt wurde, lag im Knall. Bei diesen schweren Stücken war die Wildbret-Entwertung etwas höher, dennoch fanden sich nur sehr geringe Hämatome. Meist handelte es sich lediglich um leichte Einblutungen, die sich einfach entfernen ließen und das Wildbret nicht minderten. Alle Stücke hatten einen Ausschuss.
Resümee: Das S & B Exergy Edge ist sehr universell einsetzbar – abgesehen von ausgesprochenen Weitschüssen, dafür sind Scharfrand-Geschosse aber generell nicht optimal. Seine Tiefenwirkung ist sehr gut, die Wildbret-Entwertung hält sich in Grenzen und die Präzision ist hervorragend. Das neue Geschoss wird zum Start in 6,5 x 55 SE, 6,5 CM, 7 x 57, 7 x 57 R, 7 x 64, 7 x 65 R, 7 mm RM, .308, .30-06 u. .300 WM angeboten. Der Listenpreis für eine 20er- Schachtel .30- 06 liegt bei 78,20 € und damit für bleifreie Jagdmunition im unteren Bereich – aber das ist bei S & B ja so etwas wie ein Markenzeichen.
Norbert Klups