Test: Leica Tempus ASPH
Leica stellte auf der letzten IWA ein neues Mini-Rotpunktvisier mit asphärischer Linse vor – wir wollten wissen, welche Unterschiede sich dadurch ergeben. Von Norbert Klups.
Mini-Rotpunktvisiere sind beliebt für schnelle Schüsse auf Kurzdistanz und lassen sich preisgünstig montieren – ein Oberteil reicht zur Befestigung, wenn die Montage kompakt ausfällt, ist das Ganze nicht größer als eine Streichholzschachtel.
So ist es immer dabei und stets zugriffsbereit, ideal für Drückjagden oder als Back-Up bei Safaris. Auslöser dieses Trends war das Docter Sight, ein Leuchtpunktvisier mit frei stehender Scheibe, das begeisterte. Das heutige Modell ist schon die dritte Generation.
Kopien gibts reichlich, Hersteller wie Zeiss, Meopta, Burris, Tasco, MAK oder Nikko sprangen auf den Zug. Wer dabei noch erfolgreich mitmischen will, muss sich schon was Besonderes einfallen lassen, um sich abzuheben.
Das hat Leica getan und stattet das Tempus mit einer asphärischen Linse aus. Solche Bauteile haben eine von der herkömmlichen planen Form abweichend brechende Oberfläche. Durch die weitgehend frei formbare Fläche können Abbildungsfehler vermieden oder zumindest stark vermindert werden, was bei herkömmlichen, sphärischen Linsen unvermeidlich ist.
Die sogenannte sphärische Aberration kann sogar völlig korrigiert werden, dieses Wort-Ungetüm beschreibt Schärfefehler durch achsparallel einfallende Lichtstrahlen, die nach Durchgang durch das optische System nicht die gleiche Schnittweite haben. Bei einer sphärischen Linse werden einfallende Lichtstrahlen an verschiedenen Punkten fokussiert. Dadurch entsteht eine Unschärfe in der Abbildung.
Asphären fokussieren alle Strahlen auf denselben Punkt, unabhängig vom Auftreffpunkt, was die Abbildung deutlich verbessert. Die Fertigung asphärischer Flächen ist aber wesentlich aufwendiger.
Bei Foto-Objektiven werden asphärische Linsen sehr oft eingesetzt, nur so lassen sich kompakte Zoomobjektive bauen, auch bei Zielfernrohren findet man sie schon. Bei Mini-Rotpunktvisieren hat Leica die Vorreiterrolle übernommen.
Etwas größer und schwerer
Vom Aufbau diente das Docter Sight als Vorbild, Leica übernahm auch die Abmessungen der Grundplatte und die Bohrungsabstände der Befestigungsschrauben, sodass gängige Montagen (EAW, Recknagel, MAK, Henneberger, Blaser) für marktübliche Mini-Rotpunktvisiere passen.
Leica wollte das Docter Sight in puncto Abmessungen oder Gewicht aber nicht toppen, sondern legt mehr Wert auf robuste Bauweise – mit 53,5 x 34,5 x 28 mm ist das Tempus größer und mit 40 g auch deutlich schwerer als das Docter Sight III (25 g). Das Gehäuse aus einem Stück Alu ist sehr robust.
Die Anpassung des roten Leuchtpunkts geschieht nicht über eine Fotodiode, die sich an der Umgebungshelligkeit orientiert, sondern lässt sich über eine große Wippe (+/–) an der linken Gehäuseseite manuell verstellen, dazu stehen 12 Helligkeitsstufen zur Verfügung.
Zum Einschalten kann beliebig Plus oder Minus gedrückt werden, zum Ausschalten wird eine der Tasten gedrückt gehalten. Die zuletzt gewählte Helligkeitsstufe wird gespeichert, nach dem Einschalten leuchtet die LED in dieser Stufe auf.
Sogar eine automatische Abschaltung ist vorhanden, sie greift aber nur, wenn das Visier auch vier Stunden nicht bewegt wird. Bei Bewegung sorgt ein Sensor dafür, dass die Zeit erneut vom Anfang startet – sehr sinnvoll, so steht man bei einer Drückjagd nicht plötzlich mit abgeschaltetem Visier da. Wenn man die Waffe mit eingeschaltetem Rotpunktvisier in den Tresor stellt, ist die Batterie aber beim nächsten Einsatz nicht leer.
Höhen- und Seitenkorrektur mit Klickverstellung
Die Verstellschraube für die Höhe befindet sich oben auf dem hinteren Gehäuse, die Seitenverstellschraube rechts hinten. Beide Schrauben sind mit Richtungsangabe eindeutig gekennzeichnet. Sie verfügen über eine komfortable Klickrastung wie bei Zielfernrohren. Ein Klick verändert die Treffpunktlage um 3 cm auf 100 m – erscheint zunächst vielleicht grob, aber Rotpunktvisiere werden in der Regel auf 50 m eingeschossen und da bedeutet dann ein Klick nur noch 1,5 cm. Durch diese Verstellung ist das Justieren sehr einfach und wiederholgenau.
Bevor die Treffpunktlage justiert werden kann, muss man eine Sicherungsschraube hinten am Gehäuse lösen. Die beiden Stellungen sind mit einem geöffneten und einem geschlossenen Schloss gekennzeichnet, so sind die Schrauben gegen unbeabsichtigtes Verstellen gesichert.
Zum Bedienen der Verstellung und der Sicherungsschraube wird ein 1,5 mm-Inbusschlüssel benötigt (liegt bei). Der Gesamtverstellbereich in Seite und Höhe liegt auf 50 m bei etwa 1,5 m.
Komfortabler Batteriewechsel
Die Batterie ist rechts am Gehäuse in einem praktischen Schubfach untergebracht. Es schließt bündig mit dem Gehäuse und hat oben einen Schlitz. Dem Tempus liegt ein gebogener Haken zum Öffnen bei, ein schmaler Schraubendreher oder die Jagdmesserspitze tun es aber auch, wenn der kleine Haken mal nicht zur Hand ist (kann aber Kratzer geben).
Eine umlaufende Gummidichtung hält Wasser ab, wirklich wasserdicht dürfte das aber nicht sein, ein Regenschauer sollte aber nichts ausmachen. Als Zubehör wird eine Schutzhülle aus Kunststoff gegen Regen und Schnee mitgeliefert. Sie lässt sich einfach aufstecken und schützt die Frontlinse vor Wassertropfen. Links ist ein Ausschnitt vorhanden, um den Taster für die Helligkeitsregelung bei aufgesetzter Hülle zu bedienen.
Testschießen
Das Leica Tempus wurde auf eine Großwild-Doppelbüchse montiert. Dazu wurde eine Klemmmontage benutzt, die in ein Prismenstück der Visierschiene greift. Das Einschießen war kein großer Aufwand. Auf dem 50 m-Stand wurde die Büchse Fleck eingeschossen, mit dem feinen Leuchtpunkt lassen sich auch kleine Ziele sicher anvisieren. Das Tempus ist wahlweise auch mit größerem Leuchtpunkt zu haben.
Das Visier wurde hauptsächlich im Schießkino ausprobiert. Die individuelle Einstellung der Leuchtpunkt-Helligkeit erwies sich als Vorteil. Wenn man im Halbdunkeln steht und 25 m entfernt ein relativ heller Film läuft, haben Visiere mit automatischer Anpassung oft Probleme und stellen den Leuchtpunkt zu dunkel ein. In der freien Natur, wo eher gleichmäßige Lichtverhältnisse herrschen, ist das weniger ein Problem.
Das Tempus hat mit einem Sichtfenster von 21 mm Breite und 21 mm Höhe einen sehr guten Durchblick. Der sehr schmale Rand ist so gut wie unsichtbar und fällt gar nicht auf. Die Abbildungsqualität der asphärischen Frontlinse ist überragend, das Bild ist extrem scharf, farbecht, der rote Zielpunkt ist kreisrund und scharf abgegrenzt.
Resümee: Leicas neues Leuchtpunktvisier setzt bei der Abbildungsqualität neue Maßstäbe. Das Zielbild ist brillant scharf, hell und der Leuchtpunkt kreisrund. Tadellose Verarbeitung, leichter Batteriewechsel und eine einfache Justierung der Treffpunktlage mit Klickverstellung runden das Gesamtbild positiv ab. 550 € sind sicher kein Schnäppchen, aber für dieses High-End-Visier durchaus gerechtfertigt.