Test: Zeiss HT
Als Optikspezialist Zeiss mit großem Werbeaufwand neue Ferngläser mit HT-Linsen (High Transmission) vorstellte, wurde eine Lichtdurchlässigkeit von 95 Prozent versprochen. Viele Experten halten das für unmöglich, denn 90 Prozent gelten als sehr gut und 92 Prozent als das Maß der Dinge. Mehr sollte eigentlich technisch nicht mehr möglich sein. Ob das wirklich stimmt, wollte Jagdpraxis ganz genau wissen: (Testbericht aus Jagdpraxis 1/2013)
Ohne Lichtverlust ist der Durchgang durch ein optisches System nicht möglich. Jede Glas-Luftfläche (eine Linse hat zwei davon) kostet Licht. Behaupten kann man natürlich viel, und kaum ein Käufer eines Fernglases ist in der Lage, die Transmission (also den für Jagdoptik meist allerwichtigsten Wert) objektiv zu überprüfen. Jagdpraxis kann es und hat es gemacht.
Unsere Messungen wurden im Labor für Technische Optik und Optoelektronik der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg vorgenommen – eines der bestausgestatteten optischen Labore Deutschlands. Die meisten Prüfgeräte sind dort mehrfach vorhanden, weil hier Ausbildung betrieben wird und daher mehrere Arbeitsplätze nötig sind. Das hat den Vorteil, dass ermittelte Werte sofort mit einer zweiten Messung an einem anderen Gerät überprüft werden können.
Was ist HT?
Zeiss verwendet HT (High Transmission)-Linsen des deutschen Glasherstellers Schott, die für einen sehr geringen Lichtverlust sorgen. Das funktioniert natürlich nur mit der entsprechenden Beschichtung, die bei Zeiss entwickelt wurde. Bei unbeschichtetem Glas würde der Übergang der Glas-Luftflächen einen Lichtverlust von etwa vier Prozent zur Folge haben. Einfache Beschichtungen reduzieren diesen Verlust auf etwa ein Prozent. Zeiss schafft es mit seiner aufwendigen T*-Vergütung, ihn auf unter 0,2 Prozent zu drücken. „Die Beschichtung“ gibt so gar nicht, denn in einem Fernglas werden verschiedene Glassorten verbaut, die jeweils eine genau abgestimmte Beschichtung brauchen. Auf eine Linse können bis zu 17 Schichten aufgedampft werden, deren Dicke im Nanometerbereich liegt. Dabei die richtige Kombination zu finden und verschiedene Linsen aufeinander abzustimmen, bedeutet einen enormen Aufwand.
Anschließend muss dieses optische System natürlich auch noch richtig „verpackt“ werden. Die Eleminierung von Streulicht hat in Ferngläsern größte Bedeutung. Gibt es dabei Probleme, nützen die besten Linsen nichts.
Dieser kleine Ausflug in die Fernglasentwicklung mag deutlich machen, warum Spitzenoptik heute extrem teuer geworden ist. Jeder Hersteller, der auf diesem Gebiet Entwicklungsarbeit leistet, benötigt ein bestens ausgestattetes Optiklabor mit hoch spezialisierten Fachleuten. Nach einigen Jahren Entwicklungsarbeit gehen die Kosten in schwindelerregende Bereiche. Die von Zeiss verwendeten HT-Linsen wurden eigentlich gar nicht für Ferngläser entwickelt. Grund der Forschung war die häufige Beschädigung von Lichtquellen in teuren Digitalprojektoren aufgrund der darin auftretenden großen Hitze. Daher suchte man nach Linsen mit höherem Lichtdurchlass. Damit kann man nämlich mit schwächeren Lichtquellen arbeiten, die dann auch wesentlich weniger Wärme erzeugen – und länger halten.
Nachdem das gelungen war, war es nur logisch, solche Hightech-Linsen auch für andere optische Systeme wie Ferngläser und Zielfernrohre, zu nutzen.
Alt gegen Neu
Um zu sehen, wie groß der Unterschied der neuen HT-Ferngläser ist, wurde ein 8 x 42 HT mit einem 42er Victory aus alter Produktion mit herkömmlichen Linsen ins Optiklabor geschickt. Beide Gläser waren fabrikneu. Auch äußerlich hat sich bei den neuen Victory HT eine Menge getan. Zeiss hat die Fernglasbrücke völlig neu designt. Nahm die alte Brücke noch fast den ganzen Raum zwischen den beiden Fernglashälften ein, ist beim neuen HT eine wesentlich schmalere Hülsenbrücke vorhanden. Das auffällig groß dimensionierte Fokussierrad steht weit vorgezogen in der Brücke und ist mühelos mit dem Zeigefinger völlig entspannt bedienbar. Das Fokussierrad hat eine gewollt lange Übersetzung und erleichtert so präzises Ansteuern des Schärfepunktes ohne Nachkorrektur. Das geht selbst mit dicken Handschuhen problemlos. Die Fernglasbrücke und das gesamte Gehäuse sind aus Magnesium und damit nicht nur robust, sondern auch sehr leicht. Durch die schmale Brücke entstehen sehr große Halteflächen an den Objektivtuben, was eine einhändige Bedienung sehr erleichtert.
Das nur 785 g leichte Glas lässt sich auch mit einer Hand ruhig halten, und es ist dabei sogar möglich, mit dem Zeigefinger das Fokussierrad zu bedienen.
Der Dioptrienausgleich ist vorn an der Brücke in Form eines schmalen Drehrades angebracht. Die mechanischen Dichtungen der echten Innenfokussierung sorgen für sehr lange Wasserdichtigkeit.
Der Fernglaskörper hat eine Stickstofffüllung gegen Innenbeschlag, die mattschwarze Gummiearmierung glänzt nicht mehr so wie bei den alten Modellen.
Die Drehaugenmuscheln sind rastbar und lassen sich zum leichten Reinigen auch komplett abnehmen. Das ist sehr praktisch, wenn sich mal Sand festgesetzt hat und es beim Drehen der Muscheln knirscht.
Von der Aufmachung her ist das neue Modell ein Volltreffer, es lässt sich leicht handeln und sehr bequem bedienen. Das neue Fokussierrad ist eine echte Verbesserung, durch die schmale Hülsenbrücke lässt sich das HT wie ein Glas mit offener Hülsenbrücke einhändig bedienen.
Doch jetzt zu den Messwerten, denn das war der eigentliche Anlass für den Test. Professor Dr. Hanskarl Treiber (Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg) kam zu folgenden Ergebnissen für das neue Zeiss 8x42 Victory HT:
Die gemessenen spektralen Transmissionsgrade hängen beim Zeiss-Glas nur wenig (0,8 Prozent) vom Durchmesser des Messbündels ab. Bei den meisten im Labor für Technische Optik und Optoelektronik der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg vermessenen Fernrohren war eine Abnahme der Transmission mit zunehmendem Eintrittsbündeldurchmesser zu verzeichnen. Objektiv und Augenlinse wurden zunächst nur mit einem Optiktuch, bei der endgültigen Messung mit Isopropanol schonend gereinigt. Das Fernrohr wurde vor der Messung im Autokollimator auf unendlich eingestellt.
Naheinstellung ergab etwas günstigere Werte, entspricht aber nicht der Norm. Die Divergenz des Messbündels lag bei 0,8°. Es wurde exakt darauf geachtet, dass das Messbündel mittig auf das Objektiv fällt und mittig aus der Augenlinse kommt, was durch Justierung auf die optische Achse sichergestellt wurde.
Der Transmissionsgrad des linken Rohrs lag im Schnitt 0,5 Prozent relativ unter dem des rechten.
Ergebnisse bei Bündeldurchmesser 50 Prozent Eintrittspupille (Empfehlung der Norm) wirksame Transmissionsgrade nach DIN ISO 14490-5:
li. Rohr Tag 95,0 Prozent Nacht 92,3 Prozent
re. Rohr Tag 95,2 Prozent Nacht 92,6 Prozent
Damit knackt Zeiss tatsächlich die 95 Prozent-Marke bei der Transmission am Tag und kommt sogar noch auf eine Nachttransmission von über 92 Prozent – ein Wert, den die meisten Ferngläser hochwertiger Hersteller noch nicht einmal bei der Tagtransmission erreichen.
Zum Vergleich wurde ein Zeiss Victory alter Bauart, ohne HT-Linsen, gemessen. Dabei wurden Werte von 93,1 Tag- und 89,2 Prozent Nachttransmission gemessen.
Gegenüber dem alten Zeiss Victory, das ebenfalls gemessen wurde, zeigt das neue HT eine Verbesserung bei der wichtigen Nachttransmission von gut 3 Prozent. Das klingt zunächst nicht nach viel, bedeutet in diesem High-End-Bereich aber Welten.
Resümee: Bei der Transmission hat Zeiss mit dem neuen HT die Messlatte wieder ein ganzes Stück höher gehängt. Besonders deutlich wird die Leistung, wenn man bedenkt, dass dies bei einem Glas in Dachkantbauweise erreicht wird.
Bei Porro-Systemen ist eine hohe Transmission wegen der totalreflektierenden Prismen bedeutend leichter zu erzielen.
Dazu kommt das gelungene Design des Fernglaskörpers, das die Bedienung bequemer gestaltet.
Die neuen HT-Fernglasmodelle gibt es derzeit nur mit 42er Objektivdurchmesser und 8- oder 10-facher Vergrößerung.
Jagdlich interessant wären natürlich echte Dämmerungsgläser mit 56er Objektiven. Dabei wäre eine Bestückung mit den neuen Linsen für den Ansitz bei Nacht noch bedeutender. Das dürfte dann aber preislich auch nochmals in die Höhe gehen.
Das von JAGDPRAXIS getestete 8 x 42 kostet bereits stolze 1 945 €.