Verwilderte Hauskatzen - unlösbares Problem?
Jagdschutz umfasst nach näheren Bestimmungen durch die Länder den Schutz des Wildes besonders vor Wilderern, Futternot, Wildseuchen, wildernden Hunden und Katzen sowie die Sorge für die Einhaltung der zum Schutz des Wildes und der Jagd erlassenen Vorschriften (§ 23 BJG). Doch bei Katzen stößt er an an Grenzen.
In Deutschland leben etwa 15 Mio. Hauskatzen, wobei der Anteil an Haushalten, in denen sie gehalten werden (mehr als 25 Prozent) europaweit am höchsten ist. Damit sind Katzen hierzulande das zahlenmäßig stärkste Haustier. Diese hohen Zahlen machen es erforderlich, sich mit der konkreten Bedeutung von Hauskatzen für ihre Umwelt auseinanderzusetzen. Dass unsere heutigen Hauskatzen nicht von in Mitteleuropa heimischen europäischen Wildkatzen abstammen, sondern von einer geografisch weit entfernt liegenden Art, entkräftet das oft genannte „Argument“, Hauskatzen würde sich als natürliche Art in unser Ökosystem einfügen.
200 Mio. Vögel fallen jedes Jahr in Deutschland Hauskatzen zum Opfer fallen (Quelle: World Wide Fund For Nature/WWF). Hauskatzen haben ganz unbestritten starke Auswirkungen auf Singvogelbestände und stellen besonders im menschlichen Siedlungsbereich und angrenzenden Teilen der Agrarlandschaft ein ernstzunehmendes Problem für die Vogelwelt dar.
Katzen vor Gericht
Schon häufig haben sich Zivilgerichte mit Katzen beschäftigt, dabei geht es in der Regel um Unterlassungsansprüche (§§ 906, 1004 BGB), nachdem Katzen Nachbargrundstücke betreten. Solche Klagen werden abgewiesen, weil das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis die besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme beinhaltet. Die Katzenhaltung gehört zur menschlichen Lebensführung und es entspricht artgerechter Haltung, Katzen Freigang zu gewähren. Daher ist dies nach Ansicht der Gerichte keine wesentliche Beeinträchtigung des Nachbarn.
„Der Staat schützt in Verantwortung für künftige Generationen natürliche Lebensgrundlagen und Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ (Artikel 20a GG – Staatsziel Tierschutz). Das Tierschutzgesetz bietet vielfältige Anhaltspunkte zur Erhaltung von Katzen. Danach ist es verboten, Haustiere auszusetzen, um sich ihrer zu entledigen oder sich der Halter- und Betreuerpflichten zu entziehen (§ 3 Nr. 3 TierSchG). Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit mit Geldbußen bis zu 25 000 € geahndet.
Was Jäger wissen müssen
In den Landesjagdgesetzen gibt es zu Fang und Tötung wildernder Hauskatzen unterschiedliche Regelungen. In NRW ist die Tötung wildernder Hauskatzen ausdrücklich verboten (§ 19 Abs. 1 Nr. 11 LJG NRW). Hauskatzen in Lebendfangfallen sind rein rechtlich Fundsachen (§ 965 BGB). Zuständig für derartige Katzen sind örtliche Ordnungsbehörden (Verordnung über die Zuständigkeit im Fundrecht/27.9.1977). Demnach sind Tiere im Zweifel als Fundsache anzusehen und auch so zu behandeln, wenn sie nicht mehr im Besitz des bisherigen Halters aufgefunden werden und nicht sicher festgestellt werden kann, ob sie ausgesetzt oder nur verlorengegangen sind.
Verloren ist eine Katze aber erst, wenn kein Besitzer feststellbar ist. Sie darf nur nicht herrenlos sein. Soweit keine konkreten Umstände vorliegen, die auf den Willen des Besitzers zur Eigentumsaufgabe schließen lassen, kann nicht von herrenlosen Katzen ausgegangen werden, die wären nämlich kein Fundtier. Jede in einer Lebendfalle aufgefundene Katze ist dagegen grundsätzlich ein Fundtier. Es ist nämlich in so einer Situation nicht feststellbar, ob frühere Besitzer sie vielleicht ausgesetzt haben.
Die Ordnungsbehörden haben solche Fundkatzen anzunehmen, tierschutzgerecht unterzubringen und zu versorgen (OVG Münster, 1.8.2016, Az. 5 b 1265/15).
Viele Tierheime sind aber längst an der Belastungsgrenze angekommen. Das Tierschutzgesetz wurde geändert – nach § 13 b werden die Landesregierungen ermächtigt, durch eine Rechtsverordnung zum Schutz freilebender Katzen Gebiete festzulegen, in denen sie erforderliche Maßnahmen (Kennzeichen, Registrierung) zur Verminderung der Zahl freilebender Katzen treffen können. Schon über 1 000 Städte und Gemeinden haben Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Katzen erlassen, Vorreiter war das sog. Paderborner Modell (2.5.2019). Jedoch längst nicht alle Gemeinden haben solche Verordnungen erlassen, da Tierschutz in der Bevölkerung sehr individuell betrachtet wird. Dazu fehlt weitgehend jedes Verständnis von Biodiversität und dem massiven Einfluss von Hauskatzen als nicht natürlichen Beutegreifern.
Für aufmerksame Jäger und andere Naturschützer steht jedoch fest – es gibt ein Katzenproblem.
Die Population verwilderter Hauskatzen steigt ständig und daraus folgt eine übermäßige Prädation zahlreicher freilebender Tiere. Es besteht die Gefahr der Hybridisierung mit der europäischen Wildkatze. Dazu kommt die gesundheitlichen Gefährdung, etwa durch die Hinterlassenschaften in Sandkästen.
Ordnungsrecht statt Jagdrecht ?
Tierheimkapazitäten sind beschränkt und jeder Abschuss verwilderter Katzen in NRW wurde durch den ehemaligen Umweltminister Remmel („Das Katzenproblem muss nicht im Jagd-, sondern im Ordnungsrecht geregelt werden“) vor Jahren ausdrücklich verboten. Jeder Verstoß dagegen kann den Verlust des Jagdscheins und empfindliche Strafen nach dem Tierschutzgesetz nach sich ziehen.
Ohne ein gesellschaftliches Verständnis durch entsprechende Aufklärung funktionieren aber auch Katzenschutzverordnungen, v. a., deren Umsetzung und Sanktionierung (Bestrafung bei Nichteinhaltung) nur eingeschränkt.
Haltungsbedingungen und Maßnahmen zum Wildtierschutz muss jeder Halter eigenverantwortlich gestalten. Bekannt ist, dass kastrierte Katzen sich nicht soweit von ihrer Wohnung und menschlichen Mitbewohner entfernen.
Es sollte auch in Gebieten ohne Katzenschutzverordnung selbstverständlich sein, Freigänger-Katzen zu kastrieren.
Jagderfolge lassen sich auch durch Glöckchen-Halsbänder verringern, Sicherungen an Nistplätzen und Fütterungen mit entsprechenden Manschetten dienen dem Vogelschutz – und mancherorts wird der Ruf nach einer Katzensteuer laut.
Was Jäger (noch) tun können
Jäger können nur immer wieder aufklären – und bei der Fangjagd aufgefundene Katzen der Ordnungsbehörde bzw. dem Vertragstierheim der jeweiligen Gemeinde zuführen. Diese müssen sie annehmen, versorgen und falls der Besitzer nicht ermittelt werden kann, an andere Interessierte weitergeben. Das kann natürlich problematisch werden, wenn eine bereits länger im Revier herumstreifende Katze so verwildert ist, dass sie nicht mehr als vermittelbar gilt.
Was spricht dagegen, sie dann im Tierheim zu lassen ?
Westfälische Gemeinden bezahlen Vertragstierheime dafür. Solange es zulässig ist und artgerecht erachtet wird, Tiger, Löwen und andere Großkatzen in Tierparks zu halten, muss auch das Aussetzen überzähliger Tierheim-Insassen unterbleiben.
RA Dr. Walter Jäcker
stellv. Justiziar im LJV NRW