Wärmebildkamera vom Montage-Spezialisten

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Wärmebildkamera vom Montage-Spezialisten

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Bei EAW denkt man an Montagen, geht deren Tradition doch zurück bis 1919, mit Zielfernrohrmontagen begann man nach dem 2. Weltkrieg. Nun fertigt EAW auch Wärmebildkameras – keine umgelabelten Fernost-Produkte, sondern wirklich „made in Germany“ – wir haben die Fokus HD 50 getestet.

Um Wärmebild-Kameras selbst komplett herzustellen, braucht man Know-How. Das beschaffte sich EAW durch den Kauf der auf diese Technologie spezialisierten Firma Heimdall (Bayreuth), die schon lange Dual-Use Geräte fertigt. Die Fokus HD 50 stammt nicht aus der Heimdall-Produktreihe, sondern ist eine komplette Neuentwicklung – und zwar gleich zum Triple-Use:
Neben der Verwendung als Beobachtungs- oder Vorsatzgerät vor einem Zielfernrohr kann man sie auch als eigenständiges Zielgerät nutzen – wenn das die Gesetzgebung des Landes, in dem man sie benutzt, zulässt. Ein Freischalten dieser Funktion ist bei Bedarf durch ein Software-Update jederzeit unkompliziert möglich. Sollte sich die Gesetzgebung in Deutschland zukünftig ändern (also auch echte Nachtsicht-Zielgeräte erlauben), hätte man mit der Fokus HD 50 so was quasi schon im Schrank – in anderen Ländern (A/NL) darf man es schon jetzt als Zielgerät nutzen.

EAW Fokus HD 50
Vom Design unterscheidet sich das Fokus erheblich von Fernost-Geräten – und auch technisch hat man einige interessante Innovationen zu bieten: Die elektronischen Komponenten stammen natürlich vom Weltmarkt – WBK-Detektoren produzieren nur wenige große Hersteller. Das Fokus HD verwendet einen VOX Detektor mit 640 x 480 Pixel, einen 12 µm² Pitch und hat eine Bildwiederholungsrate von 50 Hz. Sein OLED-Bildschirm hat eine Auflösung von 1 024 x 786 Pixel und das Germaniumobjektiv 50 mm Durchmesser (Blendenzahl: F 1,0). Die thermische Empfindlichkeit soll laut Hersteller unter 30 mK liegen. Das Fokus 50 hat einen internen 32 GB-Speicher für Foto- und Videoaufnahmen. Ein WiFi-Streaming des Kamerabilds auf externe Geräte ist ebenfalls möglich, eine eigene App ist dazu bald erhältlich. Die Energie liefert ein fest verbauter Akku, sollten 8 Stunden Laufzeit nicht reichen, lässt sich auch eine Powerbank anschließen.
Das Gehäuse (aus 7075-Waffen-Aluminium) ist aus dem Vollen gefräst, gummi-armiert und als Vorsatzgerät optimiert. Unterseite und Objektivkante bilden eine Ebene, so dass zum Lauf nichts vorsteht – ideal für flache Montagen. Das Fokus ist mit 194 x 86 x 61 mm noch ausreichend kompakt, bringt durch seine massive Bauweise aber 670 g auf die Waage – zzgl. Montage-Adapter. Dabei darf man aber nicht vergessen, das die RWJ-Testversion zusätzlich über einen Laser-Entfernungsmesser verfügte (links am Gehäuse in einer separaten Box), der knapp 80 g wiegt.

Optionaler Laserentfernungsmesser
Vorsatzgeräte mit integriertem Laser-Entfernungsmesser waren bisher problematisch – dafür erteilte das Bundeskriminalamt zum Verkauf in Deutschland keine Freigabe: Die Zielmarke zur Entfernungsmessung betrachtete das BKA als Absehen – und behandelte damit diese Kombi als verbotenes Zielgerät. Das scheint sich gerade zu ändern, wenn bestimmte Vorgaben erfüllt werden – auch Leica stattete sein Calonox mit einem Laser-Entfernungsmesser aus, der allerdings im Gehäuse selbst verbaut ist (also nicht wie beim EAW außen). Die Mess-Reichweite liegt bei 1 200 m, das Ergebnis wird direkt im Display angezeigt. Das gelbe Viereck mit einem Kreuz in der Mitte ist so groß, dass man es wirklich nicht als Absehen benutzen kann. Der Entfernungsmesser ist mit zwei Schrauben befestigt und kann einfach abgenommen werden. Die Anschlussstelle wird mit einer Abdeckplatte verschlossen – selbst ohne diese ist das Gerät immer noch wasserdicht. Alle Bedien-Knöpfe liegen auf der Gehäuseoberseite: Vier Pfeiltasten sind kreuzförmig angeordnet u. steuern typische Funktionen – manuelles Kalibrieren, Helligkeit, Farbauswahl, Foto, Video und den Laser-Entfernungsmesser. Die Pfeil-Tasten sind leicht erhöht und auch im Dunkeln gut fühlbar. Eine individuelle Feinabstimmung ist übers Menü möglich, in das man durch längeren Druck auf die Aus-Taste gelangt. Der Ein-Aus-Schalter vor den Pfeil-Tasten schließt bündig mit der Gehäuse-Oberseite.

Im Revier und auf dem Stand
Wir haben das Fokus HD 50 mit einem Präzise Jagen-Adapter auf ein Zeiss ZF 3 - 12 x 56 Victory HT (Theo Jung Take Down/ .300 WSM) montiert (Anschlussgewinde: M 43 x 0,75). Zur potenziell möglichen Nutzung als reines Zielgerät findet sich an der Unterseite auch eine Schnittstelle zur Befestigung einer Zielfernrohrmontage. Das Gerät war im Werk sehr gut vorjustiert, der erste Schuss lag auf 100 m knapp 2 cm unterm Wärme-Pad. Das hätte man zur Saujagd so lassen können, aber wir wollten natürlich wissen, wie genau die Bildschirmverstellung arbeitet und korrigierten über das Einstell-Menü die Treffpunktlage minimal nach oben. Die nächsten drei Schüsse lagen alle auf dem 40 mm-Wärme-Pad ! Es sind fünf Speicherplätze zur Nutzung auf verschiedenen Waffen vorhanden.
Um zu sehen, ob eine Veränderung der Treffpunktlage eintritt, wenn man das Gerät versetzt aufsetzt, wurde es um 45 Grad nach links wie rechts verdreht – und dann geschossen. Die Treffpunktlage blieb unverändert, selbst mehrmaliges Auf- und Absetzen beeinträchtigte sie nicht – aber das ist wohl eher dem hochwertigen Adapter zuzurechnen, als dem Vorsatzgerät. Die EAW-WBK wurde dann mehrere Wochen bei unterschiedlichem Wetter im Revier geführt – sowohl als handgehaltenes Beobachtungsgerät als auch montiert zum Schießen vor ein Zielfernrohr (Rechtslage in NRW beachten !). Das Fokus verfügt über eine Umstellung vom Monokular- in den Vorsatz-Modus:
- monokular wird das Bild auf dem Display im Vollbild-Modus angezeigt,
- als Vorsatz ist das Bild kleiner, um die Verwendung vergrößernder Optiken zu ermöglichen.
Gerade Witterungsbedingungen haben großen Einfluss auf die Bildqualität einer Wärmebildkamera – bei trübem Wetter und Regen lässt der Kontrast stark nach, weil alles gleichmäßig ausgekühlt wird. Dann muss man probieren, um die optimale Einstellung zu finden: Bei der Farbdarstellung wurde schnell klar, das hot weiß (Darstellung warmer Objekte in weißer Farbe) die Günstigste ist.
Wärmebildkameras liefern ein mehr oder weniger helles Bild und können das Auge so stark blenden. Schaut man bei Nacht einige Zeit hindurch, sieht man danach mit diesem Auge kaum noch etwas.
Das Fokus 50 lässt sich gut runterregeln und ist nicht blendend hell. Sein Bild hat einen guten Kontrast, Wärme-Quellen werden detailliert abgebildet, sind aber nicht strahlend hell, wie man es von vielen anderen Geräten gewohnt ist. Die Darstellung der Umgebung (Büsche, Bäume) kann mit Top-Geräten von HiKMikro, ThermTec, Infiray oder den neuen Liemke-Modellen nicht ganz mithalten. Die Zielfernrohr-Vergrößerung lässt sich bis etwa 8fach nutzen, bevors pixelig wird.
Der Laser-Entfernungsmesser arbeitet zuverlässig und schnell – wünschenswert wäre allerdings eine Fernbedienung dafür, denn zur Messung immer nach vorn ans Gerät zu greifen, ist nicht sehr bequem.
Resümee: Das wirklich innovative EAW Fokus hat eine Menge zu bieten und ist dazu erstklassig verarbeitet. Die Möglichkeit, es mit einem Software Update auch als echtes Zielgerät zu nutzen, macht es zudem sehr zukunftssicher. Der Laser-Entfernungsmesser gibt auf Knopfdruck Aufschluss über die echte Schussdistanz und ist weitaus besser als jeder auf KI oder Hilfs-Skalen basierende Entfernungsschätzer. Das gummierte Gehäuse schluckt Geräusche. Zum Schluss der Preis – made in Germany und High-End-Komponenten gibts nicht zum China-Preis (analog Geräten von Zeiss, Leica o. in Deutschland gefertigten Liemke-Modellen). Für das Fokus HD 50 muss man 3 650 € ohne und 3 950 € mit Entfernungsmesser ausgeben. Kauft man den LRF später dazu, kostet das 350 €. Norbert Klups